Angesichts der vielen Großprojekte, laufenden Instandhaltungsarbeiten und akuten Personalmangels hat das Tiefbauamt neue Prioritäten gesetzt.

Mit der Eröffnung des Rosensteintunnels ist in Bad Cannstatt es auf der Pragstraße ruhig geworden. Nur noch wenige Fahrzeuge benützen die einstige Industriemeile, auf der früher bis zu 60 000 Autos und Lastwagen täglich gezählt wurden. Einzige Ausnahme: Staut sich der Verkehr im Rosensteintunnel in Richtung Esslingen, glaubt mancher, dass der Weg über die Pragstraße und anschließend über die Neckartalstraße in Richtung Leuzeknoten schneller ist. Dennoch: Der drastische Rückgang des Verkehrs ermöglicht den Rückbau und die Umgestaltung der Pragstraße auf einer Länge von gut einem Kilometer.

 

Eigentlich sollte das Maßnahmenpaket, das unter dem Strich rund 18 Millionen Euro kosten wird, in den kommenden Wochen beginnen. „Wir haben die Umsetzung jedoch auf 2024 verschieben müssen“, sagt Jürgen Mutz, der Leiter des Tiefbauamts.

Mittlerweile zu viele Projekte

Der Grund: Zu viele wichtige Projekte stehen mittlerweile auf seiner To-do-Liste. Unter anderem tauchten im vorigen Jahr mit der Rosenstein- und der Löwentorbrücke zwei marode Bauwerke auf, die abgerissen und neu gebaut werden müssen. Beide Projekte sind extrem aufwendig, komplex und binden Mitarbeiter. Da das Tiefbauamt – wie die meisten Stuttgarter Ämter – über akuten Personalmangel klagt, mussten Bürgermeister Dirk Thürnau und sein Tiefbauamt-Chef eine Prioritätenliste erstellen. Da der Rückbau der Pragstraße, wie rund 20 weitere Straßenrückbaumaßnahmen in Zuffenhausen, Bad Cannstatt und Stuttgart-Ost, fester Bestandteil des Grundsatzbeschlusses für den Bau des Rosensteintunnels war, genießt die Umgestaltung auch weiterhin Priorität – aber erst ab 2024.

Neue Rosensteinbrücke behindert Planungen

Für Mutz ist jede Verzögerung eines Projekts nicht erfreulich, er wolle den „Umbau mit Verspätung“ allerdings nicht dramatisieren. „ Die aktuellen Baumaßnahmen, die momentan im Bereich der Tunnelportale am Löwentor stattfinden, sind nur abschließende Arbeiten im Zusammenhang mit dem Rosensteintunnel und haben nichts mit dem Rückbau zu tun“, betont Mutz. Am Rückbaukonzept selbst werde sich nichts ändern. Einzig der Bereich vor dem Wilhelma-Theater hänge davon ab, welche Größe und Gestalt die neue Rosensteinbrücke einmal haben wird. Wie berichtet, gibt es sogar vom Stadtplanungsamt den Vorschlag, die SSB-Haltestelle (U 13, U 16) von der Pragstraße auf die neue Rosensteinbrücke zu verlegen.

Nur noch zwei Fahrspuren

Der Um- und Rückbau erfolgt auf etwa einem Kilometer Länge vom Löwentor bis zur Einmündung der Wilhelma- in die Pragstraße im Bereich des Amazonienhauses. Wesentliches Ziel ist die Reduzierung von Verkehrsflächen zugunsten des Fuß- und Radverkehrs. Zudem sollen Grünflächen entstehen und viele Bäume gepflanzt werden. Die wichtigste städtebauliche Veränderung der Pragstraße ist, dass sie künftig stadteinwärts und stadtauswärts nur noch jeweils eine Fahrspur hat.

Baumallee und viel Grün

Geplant ist, die bergabwärts führende Fahrbahn entlang der Wilhelma bis auf Höhe der Firma Mahle zurückzubauen. Der Verkehr wird auf der Pragstraße künftig auf der Wohnhäuserseite abgewickelt. Auch hier wird ein Rad- und Gehweg eingerichtet. Die Fahrbahnverschwenkung über die Stadtbahngleise ist bei der SSB-Haltestelle Rosensteinpark geplant. Stichwort Mahle: Als das Tiefbauamt 2018 erstmals das Umgestaltungsprojekt Pragstraße im Bezirksbeirat Bad Cannstatt präsentierte, spielten die Neubaupläne des Global Players der Automobilzulieferbranche noch eine große Rolle. Damals hat die Konzernspitze verkündet, seine auf das Stadtgebiet verteilten Standorte in einem großen Neubaukomplex für rund 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Stammsitz zu bündeln. Dazu hatte der Konzern das benachbarte Eckardt-Gelände und das ehemalige Öl-Epple-Areal erworben. 2019 wurde das Zukunftsprojekt jedoch auf Eis gelegt. Der Grund: Dieselkrise, abflachende Konjunktur und wirtschaftliche Unsicherheit mit dem Brexit machten damals dem Autozulieferer zu schaffen. Der Konzern hat sich daraufhin einen Sparkurs auferlegt.

Mahle hat neue Pläne

Keine neuen Pläne

Mittlerweile hat das Unternehmen die große Freifläche zwischen der Pragstraße und der Glockenstraße eingeebnet und umzäunt. „Auf einer Teilfläche sollen weitere Mitarbeiterparkplätze erstellt werden“, sagte ein Unternehmenssprecher im vergangenen Jahr. Diese sollen die bisherigen freien Parkplätze an der Glockenstraße und dem Mahle-Parkhaus ergänzen. „Für die restlichen Flächen gibt es momentan keine weitergehenden Pläne“, so der Sprecher.

Kein Grundstücksverkauf

Und dabei wird es auch vorerst bleiben. Denn Mitte Februar hat Mahle mitgeteilt, das Firmengebäude in Feuerbach (ehemals Behr) zu schließen und mit den rund 1400 Beschäftigten bis zum Jahr 2029 an den Firmensitz in Bad Cannstatt zu ziehen – ohne Neubau. Ermöglichen soll dies ein neues Bürokonzept an den Bestandsgebäuden an der Pragstraße für dann rund 3400 Beschäftigte. „Die Flächen, die wir damals erworben hatten, werden allerdings nicht verkauft“, betonte ein Firmensprecher.

Wirtschaftsförderung sieht Gesprächsbedarf

Ein Umstand, der wiederum Stuttgarts Wirtschaftsförderer Bernhard Grieb auf den Plan gerufen hat. Eine Brachfläche in dieser Dimension und zudem in einem ehemaligen Industrie- und Gewerbegebiet sind ihm natürlich ein Dorn im Auge, weshalb Grieb dringenden Gesprächsbedarf wegen einer potenziellen Interimsnutzung – wenn nicht sogar einem neuen Nutzungskonzept sieht.

Auszug aus der Prioritätenliste des Tiefbauamts

Straßenbau/Verkehr
Barrierefreier Ausbau der SSB-Bushaltestellen, Breitbandausbau im Stadtgebiet, Parkraummanagement (sechste Stufe), neue dynamische Verkehrstechnik für den Neckarpark, Instandhaltung Weinbergstaffeln, lebenswerte Innenstadt (unter anderem Umgestaltung Dorotheenstraße), Umgestaltung Lindenschulviertel (Stadt am Fluss), Bahnhofsvorplatz Bad Cannstatt, Planung für die Erschließung C 1 (Rosensteinquartier).

Radwege
Hauptradroute 2, Theodor-Heuss-Straße (neue Radwege, Seitengestaltung), Fahrradstraße in Feuerbach (Burgenlandstraße), Radstreifen Hohenstaufenstraße (Stuttgart-Süd).

Brücken/Tunnel
Neue Löwentorbrücke und neue Rosensteinbrücke, Sanierung Wagenburgtunnel, Nachrüsten des B-295-Tunnels in Feuerbach.

Entwässerung
Mehr als zehn Kanalsanierungen (unter anderem der Hauptsammler Nesenbach in der Cannstatter Straße) stehen auf der Agenda. Für den Hochwasserschutz (zum Beispiel Unteres Feuerbacher Tal Mühlhausen/Zazenhausen) stehen ebenfalls viele Maßnahme aktuell an.

Sportplätze
Die Sportanlagen des TB Cannstatt und des TSV Mühlhausen (Kunstrasen, Rasenplatz) werden ausgebessert und teilweise erneuert.