Erstmals seit 1991 ist die Zahl der Opfer im Straßenverkehr gestiegen - um 7 Prozent. Schuld ist das Wetter. Der Auto Club Europa sieht die Politik am Zug.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Wiesbaden - Zum letzten Mal hat es einen derartigen Negativtrend vor 20 Jahren gegeben. Durch das erhöhte Verkehrsaufkommen aufgrund der Einheit waren 1990 13 Prozent mehr Menschen auf deutschen Straßen gestorben als 1989. Und 1991 betrug das Plus nochmals 2,3 Prozent. Von dem Moment an freilich ging die Zahl der Opfer stets zurück - von 11.300 auf 3648 im vergangenen Jahr.

 

Das ändert sich nun jedoch. 2011 kommen nach einer gestern veröffentlichten Schätzung des Statistischen Bundesamtes 3900 Menschen auf den Straßen ums Leben. Das sind etwa sieben Prozent mehr als 2010. "Das ist eine traurige Entwicklung", sagt Wolfgang Steichele vom ADAC. Der Sprecher relativiert aber: die Gesamtzahl der Opfer sei trotzdem die zweitniedrigste seit Einführung der Statistik 1953. Bei den Verletzten gibt es nun ebenfalls eine Zunahme um fünf Prozent.

Insgesamt kamen 389.000 Personen zu Schaden. Die Ursachen für das Plus sind nur teilweise klar. Das Wetter, so heißt es vom Bundesamt, habe eine Rolle gespielt. Erst waren Januar und Februar relativ mild. Das verminderte die Zahl der Unfälle, zu denen es sonst auf Eis und Schnee kommt. Es wurden gleichzeitig aber mehr Tote gezählt, weil Autofahrer bei besserem Wetter im Frühjahr eben schneller unterwegs sind.

2011 starben auch 25 Prozent mehr Fußgänger

Anschließend war der Frühling warm und trocken. Deshalb begann die Zweiradsaison früh, was zu mehr tödlichen Motorradunfällen führte. Von Januar bis September betrug die Steigerung hier etwa 13 Prozent. Ebenso auffällig ist, dass 2011 fast 25 Prozent mehr Fußgänger starben. Dafür haben die Fachleute freilich noch keine stichhaltige Erklärung. Ähnliche Steigerungen wurden bei den Jugendlichen und bei den über 65-Jährigen verzeichnet.

Im Gegenzug kamen deutlich weniger Kinder um. "Insgesamt sehen wir noch keine Trendumkehr", sagt Ingeborg Vorndran von der Wiesbadener Behörde. Sie spricht von normalen Schwankungen. Schließlich sei der Rückgang der Verkehrstoten 2010 auch außergewöhnlich stark gewesen. Der Auto Club Europa (ACE) sieht nun die Politik am Zug. "Das Wetter reicht als Erklärung für nicht angepasste Geschwindigkeit nicht aus", sagt der Sprecher Rainer Hillgärtner. Er verlangt von der Bundesregierung, die Mittel für Verkehrssicherheitsprogramme aufzustocken. Die würden seit Jahren stagnieren.

Außerdem votiert der ACE dafür, über ein Alkoholverbot am Steuer nachzudenken, mehr flexiblere Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuführen und innerorts das Tempo zu senken. Die Statistik erlaubt auch einen aufschlussreichen Blick auf die verschiedenen Straßenarten. Anscheinend wurden nur die Autobahnen sicherer. Dort starben in den ersten drei Quartalen sechs Prozent weniger Menschen, während innerorts 4,1 Prozent mehr Tote zu beklagen waren und der Anstieg auf Landstraßen außerorts sogar 8,8 Prozent betrug.

Minister will mehr Sicherheit

Programm Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben. Er möchte bis 2020 die Zahl der Verkehrstoten um 40 Prozent senken.

Maßnahmen Mehr als 40 Einzelmaßnahmen umfasst Ramsauers Programm. Er will für das Helmtragen beim Radfahren werben, mehr Überholstreifen auf Landstraßen einrichten und sich dafür einsetzen, dass Motorräder mit ABS ausgestattet werden. Auch freiwillige Gesundheitschecks für Senioren werden empfohlen. Kritiker bemängeln, überwiegend belasse es der Minister bei Appellen.