Viel testen hilft viel! Sagt der Böblinger Landrat Roland Bernhard. Der Kreis Böblingen hat den Anfang gemacht – und hat in der Region die deutlich niedrigste Inzidenz. Nun entwickeln auch andere Landkreise ihre Strategien.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Das Böblinger Modell scheint sich auszuzahlen: Seit dem 8. Februar können sich alle Kreisbewohner zwei Mal in der Woche kostenlos auf eine Infizierung mit dem Coronavirus testen lassen. Der Inzidenzwert liegt gerade bei rund 35 Infizierten pro 100 000 Einwohnern, der niedrigste in der Region Stuttgart. Nur der Rems-Murr-Kreis kommt mit einem Wert von etwas mehr als 43 noch unter die von Bund und Ländern für deutliche Lockerungen des Lockdowns gesetzte Marke von 50. Auch dort hat das Landratsamt eine intensivere Teststrategie verfolgt. In den anderen Kreisen und Stuttgart gibt es kein einheitlich organisiertes Angebot. Aber nun können sich die Bürger auch selbst testen, beim Discounter Aldi zum Beispiel sind Fünferpackungen für knapp 25 Euro zu haben.

 

Weniger Ansteckungen durchs Testen

Der Böblinger Landrat Roland Bernhard ist sich sicher, dass viel tatsächlich viel hilft: „Wenn wir über die Schnelltestung einen positiven Fall entdecken, der bis dahin völlig ahnungslos war, und dann verhindern wir, dass dieser Mensch viele weitere Menschen in seinem Umfeld ansteckt.“ Auf Initiative des Holzgerlinger Apothekers Björn Schittenhelm wurde im Kreis mit weiteren Apothekern ein Netz aus fünf Schnelltestzentren aufgebaut, das einen einheitlichen Online-Auftritt und ein Buchungssystem hat. Mit nur 29 Euro pro Schnelltest war es schon vor der Umsonstaktion das günstigste Angebot in der Region. Es wird stetig ausgebaut, in Herrenberg werden etwa seit dieser Woche Schüler direkt in der Schule getestet.

Knapp 200 positive Fälle sind seit Beginn der Schnelltestzentren im Kreis Böblingen entdeckt worden, allein 73 davon seit 8. Februar. Das klingt nicht nach viel, aber bei aktuell 165 aktiven Corona-Fällen ist es doch eine Menge. Auf Kreiskosten wurden rund 11 000 Tests gemacht, was mit etwas mehr als 210 000 Euro zu Buche schlägt. Die Aktion endet am 8. März, dann übernimmt das Land die Bezahlung von einem Test pro Bürger pro Woche. Trotz der nun zur Verfügung stehenden Selbsttests geht das Landratsamt davon aus, dass die Schnelltestzentren noch gebraucht werden, etwa für Fälle, in denen nur ein fachlich ausgeführter Abstrich, der dann auch attestiert wird, akzeptiert wird.

Der Rems-Murr-Kreis fühlt sich gewappnet

Auch der Rems-Murr-Kreis fühlt sich für den regelmäßigen Einsatz von Schnelltests für die nun beschlossenen schrittweisen Lockerungen gewappnet. „Der Kreis hat vorgesorgt und schon frühzeitig verlässliche Strukturen geschaffen, die sich jetzt bezahlt machen und weiter ausgebaut werden“, teilt der Landrat Richard Sigel mit. Über eine Internetadresse auf der Homepage des Landratsamtes kann sich jeder Kreisbürger mit wenigen Klicks einen Termin zum Schnelltest in einem Testzentrum sowie bei einer Apotheke oder einem Arzt um die Ecke buchen: wohnortnah und komfortabel. Das Portal ging am 21. Februar an den Start, knapp 100 Testzentren sind darauf vereinigt. Seither wurden knapp 10 000 Tests gebucht, sie kosten bislang noch rund 35 Euro. Das Ergebnis kommt per Mail, in Böblingen per App auf das Smartphone, und könnte als Nachweis für den Restaurant- oder Theaterbesuch dienen.

Angst, die Tests machen die Menschen unvorsichtig

Im Herbst hatte der Rems-Murr-Kreis bereits ein Testzentrum am Klinikum Winnenden für Schulen und Kitas eingerichtet. In ganz vielen Fällen habe das Landratsamt kostenlose Tests zur Verfügung gestellt, betont die Behörde – aber nicht anlasslos wie in Böblingen. Diese Erklärung führt auch der Ludwigsburger Landrat Dietmar Allgaier an: Gesundheitsamt und Kliniken hätten das durchgehende Screening der Bürger kritisch gesehen, weil die Tests nur eine Momentaufnahme seien und die Menschen dadurch unvorsichtig werden könnten. Das Landratsamt testet seit Anfang Januar bestimmte Berufsgruppen wie Polizisten, Lehrer oder Erzieher kostenlos. Ansonsten sollen die Kommunen eine Struktur mit den örtlichen Apothekern, Ärzten und Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz sowie privaten Dienstleistern aufbauen, wenn sie es nicht schon getan haben. Das Angebot hängt dann vom Engagement einzelner Personen oder Vereine ab und ist nicht über ein einheitliches Online-Portal abrufbar. Nach dem System verfahren auch die Kreise Esslingen und Göppingen.

Möglicherweise vereinfacht die Drogeriemarktkette dm das Prozedere für die Menschen: Das Unternehmen hat dem Land ein Konzept vorgelegt, in dem die einzelnen Filialen zu Schnelltestzentren werden können. Und von kommender Woche an sollen dort sowie bei Müller und Rossmann ebenfalls Test zur Selbstanwendung im Angebot sein.