Google hat Street View gestartet. Und viele Fassaden in Stuttgart sind verpixelt. Eine Garantie auf Unkenntlichkeit gibt es damit nicht.

Stuttgart - Grau ist alle Theorie. Denkt man. Bis einem bewusst wird, dass die Praxis manchmal auch keine andere Farbe hat. Zweieinhalb Jahre lang hat es gedauert, bis Google Street View in Deutschland startet - und dann ist der erste Mausklick schon eine Enttäuschung. Der Vermieter oder ein Nachbar hat das Haus verpixeln lassen. Es ist komplett hinter einer dichten, grau-milchigen Wand verschwunden ». Aus der Idee, Freunden und Verwandten das neue Zuhause in Street View zu zeigen, wird wohl nichts. So sind die Widerspruchsregeln bei Street View: Ist auch nur ein Mieter dagegen, dass die Fassade zu sehen ist, wird das komplette Haus ein für allemal unkenntlich gemacht. Nur einige Restaurants » und Geschäfte im Erdgeschoss sind ausgenommen. Schließlich sollen Geschäftsleute, und damit auch Google, vom 360-Grad-Straßenatlas profitieren, indem sie dort Werbung schalten.

In deutschen Büros dürfte in diesen Tagen eine Menge Zeit darauf verwendet werden, das eigene Wohnhaus in Street View zu betrachten und den Weg zur Arbeit mit der Maus nachzuvollziehen. In der Nacht zum Donnerstag hat Google den Dienst für 20 deutsche Städte freigeschaltet. Neben Stuttgart sind das Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn, Bremen, Dortmund, Dresden, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Mannheim, München, Nürnberg und Wuppertal. Vorausgegangen war eine monatelange, teils heftig geführte Debatte um den Datenschutz. Am Google-Sitz im kalifornischen Mountain View dürfte man sich mehr als einmal über Deutschland gewundert haben. Einerseits hat der Suchmaschinenriese hierzulande einen der höchsten Marktanteile weltweit, andererseits gab es in keinem anderen Land so viel Widerstand gegen Street View.


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Datenschützer und Politiker stürzten sich auf den Dienst, und auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner schaltete sich ein, um Street View als erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Bürger zu brandmarken. Und dann gab es auch noch Pannen, die alles andere als vertrauensbildend für Google waren. So wurden von den Kamera-Autos nicht nur Fotos geschossen und deren Koordinaten gespeichert, sondern auch Daten aus unverschlüsselten W-Lan-Netzen erfasst. Google betont, diese Daten nie ausgewertet zu haben.


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Nun ist Street View also tatsächlich da, und jeder kann prüfen, wie ernst es Google mit dem Datenschutz ist. Nach eigenen Angaben hat der Konzern 200 Mitarbeiter eingestellt, die nichts anderes tun, als Häuserfassaden zu verpixeln, sprich: sie unkenntlich zu machen. 244.000 Einwände gegen die Veröffentlichung soll es innerhalb der gesetzten Frist gegeben haben. Klingt nicht nach viel. Stuttgart hat nun aber doch eine ganze Menge blinder Flecken. In vielen Straßen der Innenstadt sind Mehrfamilienhäuser verschwunden, und auch Eigenheime etwa in Botnang wurden verdeckt.

Reibungslos hat die Verpixelung nicht funktioniert. Google musste einräumen, dass manche Häuser, die eigentlich verdeckt sein sollten, aus bestimmten Perspektiven und einiger Entfernung doch zu sehen sind. Der Prozess der Verpixelung sei nicht perfekt, gab Googles Datenschutzbeauftragter Peter Fleischer zu. Wer so einen Fehler entdeckt, könne dies aber gleich an Google melden.


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Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass Häuser trotz Verpixelung in Street View gestochen scharf in Google Maps erscheinen. Grund dafür ist Panoramio, seit Jahren Bestandteil von Google Maps ». Der Dienst verbindet Fotos, die von Privatleuten aufgenommen worden sind, mit den Koordinaten in Maps. Wenn jemand das Foto einer Häuserfassade, die bei Street View verpixelt ist, in Google Maps einstellt, wird sie dort angezeigt. » Schließlich ist es niemandem verboten, Hausfassaden im öffentlichen Raum zu fotografieren und die Bilder ins Netz zu stellen. Nach vielen Beschwerden etwa bei Twitter » über die "Verpixelungswut" in deutschen Großstädten wurde hier und da schon dazu aufgerufen, verpixelte Häuser zu fotografieren. In diesem Fall hätten Eigentümer keine Chance, ihr Haus unkenntlich machen zu lassen.

Von Stuttgart ist trotz milchig-grauer Farbflächen eine Menge zu sehen. » Rasend schnell springt die Ansicht von einem Bild zum nächsten. Auch im Rotlichtviertel » war Google unterwegs. Sorgen muss sich aber niemand. Denn erstens war zum Zeitpunkt der Aufnahmen augenscheinlich keiner auf der Leonhardstraße unterwegs und zweitens hat Google Gesichter und Nummernschilder automatisch verpixelt. Doch der Computer hat nicht alle Gesichter erkannt. So ist im Stuttgarter Westen ein Postbote » gut zu erkennen, der sich nach dem Austragen der Briefe eine Zigarette anzündet.