Jahrhunderte lang ist Gosbach dem Spott ausgesetzt gewesen. Jetzt schlägt der Ort Kapital aus seiner unrühmlichen Vergangenheit. Ein Streichepfad soll Besucher anlocken.

Bad Ditzenbach - So klein es ist, und so abgeschieden es auch liegt – Auendorf hat es schon im 16. Jahrhundert zu Berühmtheit gebracht. Damals hieß der Ort allerdings noch Ganslosen. Das Dorf, das heute vermutlich mehr Fleckvieh als Einwohner zählt, wird in Schuhmanns Nachtbüchlein aus dem Jahr 1559 als ein Ort geschildert, in dem die Narren regieren. Zu dieser Bekanntheit brachte es Schilda mit seinen Schildbürgern erst vier Jahrzehnte später.

 

Flucht nach vorne

Nachdem das Dorf am Albtrauf Jahrhunderte lang unter dem Spott zu leiden hatte, den es ob seiner Torheiten – seien sie nun real oder auch nur erfunden – , zu erdulden hatte, dreht es nun den Spieß um und schlägt Kapital aus seiner rühmlich-unrühmlichen Vergangenheit. Ein Streiche-Pfad lädt seit Freitag dazu ein, den törichten Ganslosern quasi am Ort des Geschehens bei ihren aberwitzigen Schelmenstückchen zuzuschauen. Ausbaldowert hat diesen neuerlichen Streich Gerhard Ueding, der Bürgermeister von Bad Ditzenbach, zu dem Auendorf seit seiner Eingemeindung im Jahr 1973 gehört. „Wir wollten Gästen mehr Informationen über den Ort bieten“, erläutert er. Die Idee kam an, auch bei ortsansässigen Gewerbetreibenden, die Geld für die Verwirklichung des Pfades beisteuerten. „Inklusive Flyer hat der Streiche-Pfad 5000 Euro gekostet, die Hälfte haben wir über Spenden finanziert.“

Das Geld ist gut angelegt. Die Stuttgarter Grafikerin Jutta Sailer-Paysan hat die sechs Tafeln des Streiche-Pfads in der Ortsmitte liebevoll gestaltet. Ihre schnurrigen Figuren – dickbauchige Männer und vollbusige Frauen mit strammen Hintern und strengen Hauben auf dem Kopf – passen gut zu den widersinnigen Geschichten, die an fünf Stationen in Kurzversion erzählt werden. Eine Überblickstafel an einem idyllisch plätschernden Brunnen direkt an der Ortsdurchfahrt hilft bei der örtlichen Orientierung wie auch der historischen Einordnung und gibt auch Auskunft über die Länge (ein Kilometer) und den Schwierigkeitsgrad (leicht) des Rundkurses. Dort startet auch der Hägenmarkpfad. Hägenmark ist eine aus Hagebutten gewonnene vitaminreiche Spezialität, für die Auendorf weithin bekannt ist.

Wiedererkennungswert für Streiche-Pfadfinder

Besonders reizvoll ist, dass Jutta Sailer-Paysan zum Teil reale Gebäude als Motive aufnimmt – mit Wiedererkennungswert für den Streiche-Pfadfinder, der en passant auf dem Rundweg ein bezauberndes Fleckchen Erde kennenlernt, das ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Und so ist es vielleicht auch ein später Schildbürgerstreich, dass Handys in Auendorf, das von grünen Bergkuppen umsäumt ist, grundsätzlich nicht zu funktionieren scheinen – zumindest die meisten.

Aus der Zeit gefallen zu sein, hat in Auendorf Tradition. Denn die Auendorfer, Pardon Gansloser, wurden ehedem auch „die Zeitloser“ genannt, weil sie auf Anraten ihres Bürgermeisters die Sonnenuhr an ihrem schmucken Rathaus mit einem Bretterdach vor Wind und Wetter schützten, wie auf einer der Tafeln zu lesen ist. Leider schaffte es dann auch kein Sonnenstrahl mehr, auf das Ziffernblatt zu fallen. Die Gansloser störte es nicht, getreu dem Motto „Den Glücklichen schlägt keine Stunde“.

Fleckvieh auf dem Dach

Des „schwäbischen Schildas“ würdig ist auch die Geschichte des armen Gemeindefarrens, den die Gansloser den Kirchturm hochhievten, damit er das Gras auf einem Dachvorsprung abzupfe. Pech nur, dass das Rind auf dem Weg nach oben stranguliert wurde, weil die schwäbischen Schildbürger dem Tier das Seil um den Hals gelegt hatten. Den Umstand, dass der Bulle schon nach kurzer Zeit die Zunge heraushängte, interpretierte das törichte Völkchen so: „Gucket, er schlecht scho mit dr Zong drnoch.“ Gemeint war das Gras. Die Tafel mit dieser haarsträubenden Episode steht vor dem Rathaus. Von dort fällt der Blick direkt auf den Turm der Kirche St. Stephanus, die im 14.Jahrhundert errichtet wurde. In der Kirche befindet sich die älteste bespielbare Orgel im Kreis Göppingen.

Von den Torheiten der Gansloser greift der Streiche-Pfad noch die Geschichte vom Brunnen und vom Eselsei auf, das nichts anderes war als ein großer Kürbis. Der Gemüsehändler drehte dem Schultes, der im Auftrag des Rates auf dem Markt in der Kreisstadt einen Esel für die Gemeinde kaufen sollte, die Frucht an, indem er behauptete, sie sei ein Eselei aus Honolulu. Klar, dass beim Ausbrüten des ominösen Eis, zu dem der gesamte Gemeinderat, der Büttel und der Schultes höchstselbst abgeordnet waren, zahlreiche Pannen passierten. Etwas abseits, am Ende der Krügerstraße, dort, wo keine Häuser mehr stehen und sich grüne Auen in Richtung Bad Ditzenbach erstrecken, endet der Streiche-Pfad. An dieser letzten Station wird die Geschichte vom Storch erzählt, den die Gansloser wieder loswerden wollten, weil er ihre Wiesen „verwatete“. So viel sei verraten: sie vertrieben den Vogel auf wirklich sehr unkonventionelle Weise.

Neustart unter neuem Namen

Dass ihr schlechter Ruf den Ganslosern lange auf der Seele gelastet haben muss, beweist wohl auch der Umstand, dass sie ihren Ortsnamen loswerden wollten. So reiste der Schultes im Jahr 1848 – und das ist verbürgt – in die Landeshauptstadt, um den König um eine Namensänderung zu bitten. Als dieser wundersamerweise bekannte, noch nie etwas von Ganslosen gehört zu haben, und fragte, was das denn sei, soll der Bürgermeister erwidert haben: „Halt, au a Dorf.“ Der Name Auendorf war geboren, aber das ist schon wieder Legende.