Die grün-roten Pläne, einen Teil der durch den Rückgang der Schülerzahlen frei werdenden Lehrerstellen zu streichen, empört Lehrer und Eltern. 

Stuttgart - Die Reaktionen reichen von Fassungslosigkeit bis Beunruhigung, von Empörung bis Enttäuschung. Lehrer und Elternverbände gehen mit der künftigen grün-roten Landesregierung hart ins Gericht. Die Ankündigung von Winfried Kretschmann (Grüne) und Nils Schmid (SPD), in den kommenden fünf Jahren einen Teil der durch den Rückgang der Schülerzahlen frei werdenden Lehrerstellen zu streichen, hat eingeschlagen wie ein Blitz. Verbandsvertreter, die mit dem Regierungswechsel auf Verbesserungen in der Bildungspolitik hofften, werten den Plan einhellig als Bruch von Wahlversprechen.

 

Die Wahlprogramme lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. "Die durch den Geburtenrückgang frei werdenden Mittel und Ressourcen verbleiben im Bildungssystem und werden bei der Verbesserung der Bildung eingesetzt", schreibt die SPD. Die Grünen erklären: "Wir wollen in der nächsten Legislaturperiode alle rechnerisch durch den Schüler/-innenrückgang frei werdenden Stellen für den Ausbau und die Qualitätsverbesserung der Bildungseinrichtungen einsetzen".

"Das geht ja gut los"

Wer das gelesen hat, ist jetzt erstaunt. "Das geht ja gut los", ächzt Bernd Saur vom Philologenverband und klagt wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): "Die Halbwertszeit der Wahlversprechen ist kürzer als zwei Wochen". Saur wettert: "Dass sich diejenigen, die sich seit Jahren als die besseren Schulpolitiker darzustellen versuchten, noch vor Aufnahme ihrer Amtsgeschäfte als Stellenstreicher entpuppen, trägt skandalöse Züge".

Die GEW, die der künftigen Regierung mehr Sympathien entgegenbringen dürfte als der bisherigen, kündigt Protestaktionen an. "Sollte die Streichung von Lehrerstellen im Koalitionsvertrag stehen, werden der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Finanzminister Nils Schmid auf ihrem ersten Weg in den Landtag von enttäuschten und wütenden Eltern begleitet werden", droht die GEW-Chefin Doro Moritz.

Fassungslos zeigt sich der Verband Bildung und Erziehung (VBE). "Noch vor dem offiziellen Start stellt Grün-Rot in der Schulpolitik die Ampel von Grün auf Rot", klagt Gerhard Brand. Der Landeselternbeirat nimmt die Ankündigung "voller Sorge" zur Kenntnis. Es könne doch nicht sein, dass die künftige Landesregierung hinter die Pläne der bisherigen CDU/FDP-geführten Regierung zurückfalle, klagt dessen Vorsitzender Christian Bucksch. Die amtierende Regierung hatte versprochen, bis 2013 keine Lehrerstellen zu streichen.

"Ein glatter Wortbruch zum eigenen Wahlkampf"

Genussvoll schlagen die neuen Oppositionellen in die Kerbe. Bei Lehrern den Rotstift anzusetzen, sei "haarsträubend und ein glatter Wortbruch zum eigenen Wahlkampf", schimpft Peter Hauk. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion befürchtet, "dass noch mehr Erfolgsmodelle im Land von Grün-Rot kassiert werden".

Nach einer Vorausrechnung des Statistischen Landesamts sinkt die Zahl der Schüler von 2008 bis 2020 um 22,7 Prozent auf rund 928.000. So werden rein rechnerisch rund 20.000 Lehrerstellen frei. Die Verbände pochen darauf, dass Verbesserungen im Unterricht nicht möglich seien, wenn Lehrerstellen gestrichen werden. Am Dienstag präzisierten die Koalitionäre Kretschmann und Schmid ihren "Zwei-Stufen-Plan". Zunächst wollen sie den Unterricht verbessern, Ganztagsschulen und die individuelle Förderung ausbauen. "Das haben wir versprochen, das halten wir", betonte Kretschmann. Von 2015 an soll ein kleinerer Teil der frei werdenden Stellen nicht mehr neu besetzt werden, erklärte Nils Schmid. Die eingesparten Mittel seien zur Haushaltskonsolidierung notwendig.