„Das haben wir uns verdient“, ist nach zwei Jahren Pandemie im feiernden Stuttgart zu hören. Unser Kolumnist berichtet über „lost dreams“ im New Grace, das Cavos, in dessen Räume sich ein Darkroom befand, und den Streit um die Freiluft-Partys der Hugendubels.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Man nennt sie die „Generation Corona“. Wer ihr angehört, musste daheim hocken in einer prägenden Lebensphase, die bisher dazu da war, Party zu machen, sich zu verlieben und das Leben zu feiern. Das Virus hat eine Generation aufs Wartegleis geschickt – sind ihre Träume verloren?

 

„Lost Dreams“ steht auf T-Shirts der Designerbrüder Julian und Robin Gössele, die gut gelaunt im Partnerlook in die Spielbank-Bar The New Grace kommen. 23 und 21 Jahre alt sind sie, gehören also der benachteiligten Generation an. Die Chefs des Labels Juronoid bringen mit ihrer Mode Botschaften auf die Straßen, wollen sich „den oberflächlichen Runaways“ widersetzen, wie sie sagen.

T-Shirt-Aufdruck: „Social Media is a drug“

Da die Corona-Fesseln gefallen sind, geben die Brüder auf bedruckten Shirts als Devise aus: Feiern ja, Träume zurückerobern, aber nicht Egoismus über alles setzen, sondern die Rettung der Welt nicht aus den Augen verlieren. „Social Media is a drug“, steht auf einem weiteren Shirt von Juronoid. „Ohne soziale Medien geht’s nicht“, sagt Julian Gössele im Grace bei der „First-Look“-Feier zur neuen Ausgabe des „Stuttgarter Zeitung Magazins“, „wie beim Alkohol sollte man in den sozialen Medien maßvoll bleiben.“ Vor der Fotowand wird reichlich Stoff gesammelt für Instagram, in der Bar tritt die großartige Mannheimer Sängerin LOI auf, die den Start als Newcomerin nicht zuletzt ihrer riesigen Fangemeinde bei Tik Tok verdankt. Social Media kann Erfolge schaffen, aber wegen Suchtgefahr auch Abstürze. José Redondo-Vega, der Chefredakteur des „Stuttgarter Zeitung Magazins“, begrüßt Stadtpromis, Influencer, Entscheidungsträger und stellt die neue Ausgabe vor, bei der sich alles ums Feiern dreht. „Verdient haben wir uns das Feiern nach zwei Jahren Pandemie und anderen Kalamitäten allemal“, sagt er.

Kabarettist Sonntag bedankt sich bei seinen „wahren Freunden“

Christoph Sonntag feiert den 60. Geburtstag im oberen Foyer des Theaterhauses. Als der Kabarettist im Rosenkrieg mit der Ex-Frau in den Fokus der Justiz geriet, erkannte er, „wer meine wahren Freunde sind“. Diese Freunde lud er nach der SWR-Aufzeichnung seiner Show „Wörldwaid“ ein. Die Ermittlungen gegen ihn sind „wegen Mangels an Tatverdacht“ eingestellt. Sonntag bedankt sich bei seinen Schwestern, seinen Kindern, seiner Freundin, die immer an ihn geglaubt hätten, aber auch beim früheren EU-Kommissar Günther Oettinger, der früheren Kultusministerin Susanne Eisenmann sowie bei OB Frank Nopper und Frau Gudrun Nopper, die „Größe“ bewiesen hätten, indem sie mitfeiern, obwohl er sie unlängst bei seiner Fastenpredigt härter als andere angegangen habe.

Der Darkroom wurde „Meditationsraum“ genannt

Gefeiert wird beim Partygriechen Cavos fast so heftig wie früher. Das schöne Wetter füllt am „Fischtag“ die Außenterrasse rasch. Clublegende Laura Halding-Hoppenheit, die über 20 Jahre lang die heutigen Cavos-Räume als Gay-Bar Laura’s geführt hat, erzählt Betriebsleiter Hiki Shikano Ohlenmacher, was früher hier los war. „Oben am Ende des Lokals befand sich der Darkroom“, sagt sie. „Meditationsraum“ habe man ihn genannt. Einmal sei ein Rettungswagen herangerast. Der Notarzt sei rausgesprungen, um rasch im Darkroom zu verschwinden. Wenig später habe er einen Mann mit heruntergelassener Hose rausgezogen. „Es war sein Freund“, erzählt Laura, „jemand hatte den Arzt angerufen, weil er dessen Freund trotz Dunkelheit mit einem anderen erwischt hatte.“ Die Runde am Tisch ist sich einig: Sie sollte ein Buch über 40 Jahre als Gay-Wirtin schreiben.

Streit um den Partynamen Hugendubels

„One day of love and peace“ – so lautet das Motto der Internet-Community Hugendubels, die am Samstagnachmittag am Katzenbacher Hof mit sechs DJs feiert. Es ist die sechste „Flashbash“-Party, die bisher nach dem Prinzip des Flashmobs als Überraschung mit mobilen DJ-Pults schöne Orte erobert hat. Erstmals wird das nicht-kommerzielle Treffen angekündigt (Eintritt frei). Hugendubels ist ein Fantasienamen, den sich der Organisator für Instagram ausgedacht hat. Nun muss er den Namen ändern. Die Buchkette Hugendubel verlangt dies.

Von Herbst an heißt die Community „Hudu“, die auf Love-and-Peace-Spuren von Woodstock wandelt. Regine Hugendubel, die Tochter des Regenschirmfabrikanten, „tut es weh, was da mit unseren Namen geschieht“. Gegen das Feiern habe sie nichts, aber man dürfe Waldtiere nicht mit Lärm stören. „Meine Altvorderen rotieren im Grab“, sagt sie. Der Veranstalter erwidert, man feiere extra um 16 Uhr, damit in der Nacht Ruhe sei. Es gehe darum, dass Großstädter den Wert der Natur erkennen. Ein Putztrupp mache alles sauber. Liebe und Frieden, zumindest darin sind sich alle einig, sind am allerwichtigsten.