TV-Star Kai Schumann dreht ein Filmchen auf dem Designerklo vom Gian Paolo e Marco. Im Malo brummt’s so sehr, dass die Wirte den Ruhetag streichen. Und das Tatti ist ein Magnet. Geschichten aus dem neuen Ausgehviertel hinterm Rathaus.
Der Schauspieler Kai Schumann, der in der neuen ARD-Staffel von „Mord mit Aussicht“ zum Schweinebauer Gisbert wird, hat sich bei seinen Fans live aus der meistfotografierten Toilette von Stuttgart gemeldet. „Ich fühl mich Disco“, singt er in seinem Instagram-Filmchen. Wollen Wirte Klickrekorde landen, sollten sie spektakuläre Selfie-Motive schaffen. Marcus Philipp und Paul Benjamin Scheibe, die nach dem Fluxus-Ende in der Calwer Passage im Sommer 2018 mit ihrem Tatti hinters Rathaus gezogen sind, tun dies in ihrer neuen, noch schickeren Bar Gian Paolo e Marco im Gebäude des Designhotels EmiLu mit einer Toilette aus rosafarbenen Bonbonwänden.
Fantasie ist ein guter Ratgeber
Wie die Bar zu ihrem Namen kam? Gian Paolo e Marco ist die italienische Version der Vornamen der Chefs. Die poetische Erklärung aber ist schöner und führt in die Toskana. Dort hat das Mädchen Tatti in der Bar von Gian Paolo und Marco gearbeitet. Die wirtschaftliche Lage war schwierig. Alle drei mussten Italien verlassen und kamen in Stuttgart wieder zusammen. In einem kleinen Buch wird darüber „La Storia“ erzählt und zeigt: Fantasie ist ein guter Ratgeber.
Der Klobesuch in der neuen Bar ist aufregend. Vor allem beim ersten Mal, wie so oft im Leben. Im Vorraum zu den Kabinen, wo eckige Spiegel und Marmor-Waschbecken stehen, treffen Männer und Frauen unerwartet aufeinander. Das erschreckt viele. Und Disco-Sänger Kai Schumann, der von 2001 bis 2005 dem Staatstheater Stuttgart angehört hat, staunt: In der Stadt seiner „ersten Liebe“ ist selbst das Örtchen ein Hit!
the ratskeller hat sich bereits verjüngt
Nicht nur dort, wohin der Partykönig zu Fuß geht, hält das neue Ausgehviertel Überraschungen bereit. Im Bermuda-Dreieck aus Malo, Tatti und „G P e M“ lässt sich noch mehr entdecken. Dies ist nur der Auftakt zur Aufwertung der Rathausumgebung. Bald erhält der Marktplatz die lange vermisste Außengastronomie. The ratskeller hat sich bereits verjüngt. Wirtin Denise Schuler freut sich „über viele junge Gäste“.
Doch wie heißt das neue Barviertel? Selten fällt der Name Pierre Pflimlin, nach dem der Platz benannt ist. Der 2000 verstorbene Franzose war Bürgermeister von Straßburg und Präsident des Europäischen Parlaments. Auch „Eich-Areal“ hört man kaum. Die meisten verabreden sich „hinterm Rathaus“.
Parken in der Fußgängerzone kostet 55 Euro
An der Eichstraße stand bis 2015 die Rathausgarage, bis zu ihrem Abriss. Im Neubau ist das Dschungelrestaurant Malo von Vater Matthias Grohe und Sohn Lorenz Grohe zum Überflieger der Stuttgarter Gastronomie geworden. So gut läuft’s, dass der einzige Ruhetag, der Sonntag, gestrichen wird und man in Kürze an sieben Tagen den grünen Wildwuchs öffnet, nun auch im Außenbereich. Aus der Eichstraße ist eine Fußgängerzone geworden, auf der immer wieder ein Flitzer parkt. So manch ein Gast will mit seinen vier Rädern dicht ran ans Geschehen. Um gleich mal vorzugockeln, was man hat. Deshalb steht immer wieder ein Porsche oder sonst was Tiefgelegtes hier. Malo-Besucher erzählen sich gegenseitig, was das kostet. Parken in der Fußgängerzone macht 55 Euro – dies scheint bei manchem im Budget zu sein.
Im Malo sieht man, wie Kevin Kurányi, ein Stammgast, Kaffee trinkt oder wie William James Adams jr., besser bekannt als Rapper Will.i.am seinen Mercedes-Kauf in Stuttgart im coolen Ambiente ausklingen lässt.
Miguel Pinto erzählt von den Trends in seinem Tattoo-Studio Zeitlos
Auch Miguel Pinto kommt regelmäßig. Mit seinem Studio Zeitlos lockt er Fußballprofis und Reality-Schnellruhm-Raketen aus allen Teilen der Republik zum Tätowieren in den Stuttgarter Süden. Beliebt, erzählt er, sind gerade Tattoos an intimen Stellen. Seine Artists müssten schon mal dort, wo der Mann am männlichsten ist, eine Rose stechen. „Das Viertel könnte Rosengarten heißen“, schlägt einer vor.
Matthias Grohe erzählt, wie dreist jemand, der eine böse Kritik übers Malo ins Netz stellte, 149 Euro verlangte, damit er den Verriss löscht. Der Lachs sei mies gewesen, schrieb er. Auf der regional geprägten Malo-Karte steht kein Lachs. Grohe fand heraus, dass dieser Mann in Zypern lebt. Sein Rat an Kollegen: „Nie das verlangte Geld zahlen, sondern lieber mit der Kritik leben – sonst versuchen es noch mehr mit dieser Masche.“
Die blaue Stunde lädt zum Träumen ein
Wenn die Sonne im Häusermeer versinkt, lädt die blaue Stunde zum Träumen ein. Die Kulisse mit Giebelhäusern und dem Türmchen vom Graf-Eberhard-Bau ist so schön wie Urlaub. Im Tatti ist es meist voll. Das Gian Paolo e Marco läuft, wenn es warm wird und die Fensterfronten aufgezogen werden, immer besser. Für Wirt Marcus Philipp ist es zu früh zum Jubeln. Zwei Jahre Corona haben Löcher in die Umsätze gerissen, da muss viel nachgeholt werden. Was im Stuttgarter Rathaus geschieht, weiß man nicht immer. Doch hinterm Rathaus wird gerockt! Da wird selbst das Klo zur coolen Rosadisco.