Daimler will in einer Lastwagenfabrik in Brasilien 1500 Stellen streichen, dagegen laufen die Mitarbeiter des Werks Sturm. Der Betriebsrat spricht von Managementfehlern, das Unternehmen verweist auf den eingebrochenen brasilianischen Lkw-Markt.

Stuttgart - Der Daimler-Betriebsrat läuft Sturm gegen einen geplanten massiven Einschnitt im brasilianischen Lkw-Werk São Bernardo do Campo. Der Autobauer hat nach Angaben der Arbeitnehmervertreter 1500 Mitarbeitern dieses Standorts die Kündigung zum 1. September geschickt. „Wir fordern die Unternehmensleitung auf, die Kündigungen umgehend zurückzunehmen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren“, verlangte Konzern-Betriebsratschef Michael Brecht. Es müsse ein Kompromiss gefunden werden, der für beide Seiten tragbar sei. Um das Unternehmen zur Rücknahme der Kündigungen zu bewegen, sind die Beschäftigten des Werks am Montag in einen unbefristeten Streik getreten.

 

Das Mercedes-Werk in São Bernardo do Campo besteht bereits seit 1956 und beschäftigt insgesamt rund 9900 Mitarbeiter. Ein Daimler-Sprecher reagierte zurückhaltend auf die Forderung des Betriebsrats. Das Management ist nach Darstellung des Sprechers offen für Gespräche über eine Rücknahme der Kündigungen, wenn die Arbeitnehmerseite einen Beitrag zur Senkung der Kosten leiste.

Markt bricht um 44 Prozent ein

Der Streit über die Kündigungen folgt auf einen drastischen Einbruch des Lkw-Marktes, auf dem das Geschäft schon in den vergangenen Jahren schlecht lief. Seit Anfang 2013 haben die Stuttgarter bereits rund 3000 Stellen in Brasilien gestrichen. Zur Jahresmitte hatte Daimler in der größten Volkswirtschaft Südamerikas noch knapp 11 900 Mitarbeiter. Neben São Bernardo do Campo gibt es ein zweites Nutzfahrzeugwerk in Juiz de Fora, das nach Angaben eines Unternehmenssprechers aber nicht von der aktuellen Auseinandersetzung betroffen ist. Zudem baut Daimler gerade eine neue Pkw-Fabrik in Brasilien. Das Geschäft mit Personenwagen von Mercedes-Benz ist nach Angaben des Unternehmens nicht von der Marktschwäche betroffen. Allerdings sind die Stückzahlen hier auch sehr überschaubar.

Der brasilianische Lkw-Markt ist in der ersten Hälfte des laufenden Jahres um 44 Prozent eingebrochen. Der Daimler-Absatz ist nach Angaben des Sprechers in einer ähnlichen Größenordnung zurückgegangen, eine Erholung sei nicht in Sicht.

In São Bernardo do Campo verhandelte das Management und die Metallarbeiter-Gewerkschaft CNM/CUT laut Daimler-Betriebsrat schon seit Beginn des Jahres über die Zukunft der Beschäftigung an diesem Standort. Nachdem man sich in der Vergangenheit auf verschiedene sozialverträgliche Maßnahmen – wie etwa Abfindungen – geeinigt habe, sei es Ende Mai erstmals zu einer Eskalation gekommen, als 300 Beschäftigte die Kündigung erhielten.

Gewerkschaft fordert Verhandlungspause

Die Metallarbeiter-Gewerkschaft hatte sich nach eigenen Angaben dafür eingesetzt, die Absatzkrise mit der brasilianischen Kurzarbeiter-Regelung zu überbrücken. Danach kann die Arbeitszeit um bis zu 30 Prozent reduziert werden. Die Löhne und Gehälter verringern sich um bis zu 15 Prozent, da die Regierung die andere Hälfte übernimmt. Die Unternehmensleitung habe das jedoch als „nicht ausreichend“ bezeichnet und eine andere, für die Arbeitnehmer schlechtere Lösung vorgeschlagen, nach der etwa die Inflation von zurzeit knapp zehn Prozent nur teilweise ausgeglichen werden sollte. Die Gewerkschaft bezeichnete die Haltung des Unternehmens als „unnachgiebig“ und habe eine Verhandlungspause gefordert, um die Rückkehr der Belegschaft an diesem Montag aus den laufenden Werksferien abzuwarten. Daimler habe jedoch die Entlassungen bereits vor dem Ende der Werksferien ausgesprochen – ein „brutales“ und „aggressives“ Verhalten, sagte eine Sprecherin der Metallarbeiter-Gewerkschaft.

Valter Sanches, Kommunikationschef der Gewerkschaft sagte, sei es „sehr merkwürdig für uns“, dass ausgerechnet ein deutsches Unternehmen wie Daimler eine gerade erst in Brasilien eingeführte Regelung ablehne, die ganz und gar nach dem deutschen Kurzarbeitsmodell gestaltet worden sei.

Betriebsratschef Brecht wirft Daimler vor, dass Managementfehler auf dem Rücken der Beschäftigten korrigiert werden sollen. In der Vergangenheit sei zu wenig Geld in die Erneuerung der Anlagen gesteckt worden. Nun sollten die Mitarbeiter die nötigen Investitionen durch Entgeltkürzungen mitfinanzieren. „Angesichts der insgesamt hervorragenden Situation bei Daimler ist eine solche Forderung absolut nicht nachvollziehbar“, kritisierte Brecht.