In Pforzheim droht ein unbefristeter Streik der Busfahrer. 240 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Dann übernimmt ein privater Anbieter den bisherigen städtischen Busverkehr. Es geht um einen Präzedenzfall, der bundesweit Kommunen betreffen kann.

Pforzheim - Es ist der elfte Streiktag am Dienstag im Stadtbusverkehr in Pforzheim – und der erste nach der Urabstimmung. Vorige Woche hatten sich 95 Prozent der teilnehmenden Verdi-Mitglieder bei der Stadtverkehr Pforzheim (SVP) für Streiks ausgesprochen, die auch unbefristet sein können. Die Auseinandersetzung hat jedoch nichts mit dem aktuellen bundesweiten Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst zu tun: in Pforzheim geht es um einen Präzedenzfall. Bundesweit könnten etliche Kommunen betroffen sein, wenn private Anbieter den Nahverkehr übernehmen.

 

Laut EU- und Bundesrecht müssen europaweite Ausschreibungen, etwa für städtische Busverkehre, vorab angekündigt werden. In diesem besonderen Verfahren können private Busunternehmen ohne tatsächliche Ausschreibung zum Zug kommen, wenn sicher gestellt ist, dass sie die geforderten Leistungen ohne öffentliche Zuschüsse erbringen.

OB Hager: „Wir lassen die Betroffenen nicht allein“

Die Bahntochter Südwestbus (RVS) hatte einen Antrag abgegeben, das Regierungspräsidium Karlsruhe genehmigte ihn. Zum Jahresende stellt die SVP den Betrieb ein. Von 2017 an wird die Regionalbusverkehr Südwest (RVS) den Linienverkehr für zehn Jahre übernehmen. Diese Zäsur nach mehr als 100 Jahren kommunalen Busbetriebs bedauerte nicht nur der Oberbürgermeister Gert Hager (SPD): Schließlich wollte die Stadt den Linienverkehr gemeinsam mit einem strategischen Partner betreiben. Der OB sagte im Januar zu, der Gesellschaft SVP, einer hundertprozentigen Tochter der Stadt, bei der Suche nach „guten Lösungen für die Belegeschaft“ zu helfen. „Wir werden die Betroffenen nicht allein lassen“, versprach Hager.

Drei Monate später sind die Betroffenen bitter enttäuscht. Die Verhandlungen sind festgefahren. Die Stadt sieht sich nicht in der Pflicht. Die 240 Mitarbeiter seien bei der SVP angestellt, diese sei Sozialpartner in den Verhandlungen. Zwar sei die Stadt seit 2104 wieder alleinige Gesellschafterin, aber sie hafte nicht für ihre Gesellschaft. Diese „rein juristische Argumentation“ bringt Andreas Henke, den Sprecher des Verdi-Landesbezirks Baden-Württemberg, auf. „Der OB hat auch eine politische und moralische Verantwortung“, sagt Henke. Zumal der einzige Profiteur des neuen Busvertrags die Stadt sei, die in zehn Jahren 70 Millionen Euro einspare. Henke hält es deshalb für folgerichtig, wenn ein Teil dieser Einsparung bei den 240 Mitarbeitern ankommt. Zum Beispiel als Ausgleich für eine Lohndifferenz zwischen dem bisherigen und dem neuen Arbeitgeber. Diese könnte laut Verdi bis zu 500 Euro im Monat betragen. Das Lohndumping hätte verhindert werden können, wenn die Stadt in der EU-Vorabankündigung soziale Standards festgeschrieben hätte, sagt Henke. Zum anderen sieht Verdi die Landespolitik in der Pflicht, diese Lücke im Tariftreuegesetz zu schließen. Es könne nicht sein, dass überall dort, wo Nahverkehre ausgeschrieben werden, „auf dem Rücken der Beschäftigten“ gespart werde.

Verdi: „Wir brauchen Jobs“

„Wir brauchen Jobs“, sagt der Pforzheimer Verdi-Verhandlungsführer Rüdiger Steinke. Etwa 120 Busfahrer könnten sich bei der Südwestbus RVS neu bewerben – allerdings zu deutlich schlechteren Konditionen. Bis zu 30 Beschäftigte seien nahe am Rentenalter. Ob eine Transfergesellschaft zustande komme, sei unklar. Die SVP hat laut ihrem kaufmännischen Leiter Nico Langemeyer das „Maximum“ angeboten – das gesamte Vermögen von fünf Millionen Euro. Verdi hingegen fordere das Doppelte. Es gebe keinen weiteren Spielraum, sagt Langemeyer. Die Gewerkschaft will nun per einstweiliger Verfügung das Recht auf Einsatz eines Wirtschaftsprüfers durchsetzen. Die Zeichen stehen auf Streik.