Streit in der deutschen Kirche: Sieben deutsche Oberhirten fallen Reinhard Marx, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, in den Rücken.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Für katholische Verhältnisse kommt der Brandbrief aus Deutschland einer Palastrevolution gleich. Sieben Oberhirten brüskieren den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz in aller Öffentlichkeit. Fünf der Würdenträger stammen aus Bayern und unterstehen formell dem Münchner Erzbischof Reinhard Marx als Metropoliten der Kirchenprovinz München und Freising.

 

An die Spitze der Aufwiegler hat sich der Rheinländer Rainer Maria Woelki gestellt, der dem gebürtigen Westfalen Marx in die Parade fährt. Dem bischöflichen Septett geht es um Fundamentales: den Kurs der Kirche und die Frage, wie viel Ökumene zulässig ist, ohne den Kern auszuhöhlen und Prinzipien über Bord zu werfen.

Reformer Franziskus

Der römische Zentralismus mit seiner klerikalen Hierarchie und seinem strikten Gehorsamsprinzip ist eine der tragenden Säulen des Katholizismus. Was der Papst in Rom beschließt, das gilt und wird von oben nach unten tradiert und befolgt. So war es, und so hätte es bis zum Tag des Jüngsten Gerichts auch bleiben sollen – wäre nicht Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013 zum 266. Bischof von Rom gewählt worden. Der als Reformer angetretene Papst treibt den interreligiösen Dialog voran, geißelt Klerikalismus und Reformunwilligkeit, lobt Luther und die Reformation, lockert die Sexualmoral und geht demonstrativ auf wiederverheiratete Geschiedene zu.

Reinhard Marx ist als einer von neun Mitgliedern des Kardinalsrates ein Franziskus-Intimus und voll auf der ideologischen Linie des Papstes. Wobei der 64-Jährige alles andere als ein Revoluzzer oder Liberaler ist, auch wenn er in Einzelfällen den gemeinsamen Kommunionempfang konfessionsverschiedener Ehepartner ermöglichen will und eine Segnung homosexueller Paare in Aussicht stellt.

Watschn für Kardinal Marx

Seinen traditionelleren Amtsbrüdern sind solche Aufweichungen des Katholischen ein Dorn im Auge. Was die sieben – mit ihnen wohl noch andere aus dem Kreis der 65 Mitglieder der Bischofskonferenz – von ihrem „Chef“ halten, ist offensichtlich. Dass sie Marx den Brandbrief nachträglich zur Kenntnisnahme geschickt haben, ist eine öffentliche Bloßstellung. Mit ihrer bischöflichen Watschn wollen Woelki und seine Mitstreiter Franziskus und seinem bayerischen Spezi deutlich machen: Es gibt noch rechtgläubige Bischöfe nördlich der Alpen.

Die Brief-Masche ist unter Oberhirten eine bewährte Methode, um unliebsame Würdenträger in der römischen Zentrale anzuschwärzen und Linientreue zu demonstrieren. Auch Woelkis Vorgänger Joachim Meisner hatte sie eingesetzt. Der damalige Kölner Erzbischof schrieb 1999 an den Papst, weil er den Mehrheitsbeschluss der Bischofskonferenz zur Schwangerenkonfliktberatung nicht mittragen wollte und gegen ihren liberalen Chef, den Mainzer Bischof Karl Lehmann, opponierte.

Der Protest hatte Erfolg: Der Vatikan zwang die Bischöfe zum Ausstieg aus der Beratungspraxis und der erzkonservative Meisner sah sich bestätigt. Doch damals hieß der Papst Johannes Paul II. und nicht Franziskus.

Franziskus drückt auf die Tube

Dass der Argentinier dem Protest stattgeben wird, ist ausgeschlossen. Zum einen ist der Beschluss, in der Frage des Abendmahls auf die Protestanten zuzugehen, im Februar von der Mehrheit der Bischofskonferenz getroffen worden. Zum anderen liegt die Entscheidung auf der Linie eines Papstes, dem Fortschritte in der Ökumene eine Herzensangelegenheit sind.

Der Gegenwind aus Deutschland bewirkt das Gegenteil von dem, was er bezweckt: Statt das Reformtempo zu drosseln, wird Franziskus weiter auf die Tube drücken und diennerk iirchlichen Zauderer ausbremsen.