Horst Seehofer holt sich beim CSU-Vorstand „vollumfängliche“ Rückendeckung und die Anweisung zu „unverzüglichem“ Beginn erster Zurückweisungen an den Grenzen.

München - Zeitgleich sollte der Showdown stattfinden, so war es angekündigt: Um 14 Uhr wollte die Kanzlerin in Berlin vor die Medien treten, um 14 Uhr in München der Bundesinnenminister. Doch Horst Seehofer lässt sich Zeit. Angela Merkel hat schon gut zehn Minuten gesprochen, erst da erscheint der CSU-Chef in der bayerischen Parteizentrale vor den Journalisten. Dabei war die Sitzung des CSU-Vorstandes nach dreieinhalb Stunden längst zu Ende; Ministerpräsident Markus Söder – „wir sind geschlossen, wir sind entschlossen“ – hatte das Haus im Münchner Norden ohne weitere Erklärungen eine Dreiviertelstunde zuvor verlassen. Und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, früher als CSU-General zuständig fürs Grobe, der hatte im kleineren Kreise schon Luft aus der Sache genommen: „Keiner will die Sache reduzieren auf eine Personaldebatte“, sagt er – als hätte es persönliche Attacken auf die Kanzlerin, als hätte es Pläne zu ihrem Sturz in der CSU nie gegeben.

 

Seehofer präsentiert sich als Sieger

In genau dieser Sache ist die CSU erst übers Wochenende zurückgerudert. Weil es nicht gelungen ist, in der Schwesterpartei hinreichend viele Palastrevolutionäre auf die eigene Seite zu ziehen? Weil sich die CDU nach den weiß-blauen Angriffe noch enger um Merkel geschart hat? Oder weil ihr alle, Seehofer und die von ihm so titulierten „stilvollen Bayern“ eingeschlossen, noch eine Galgenfrist einräumen wollen?

Nein, sagt Seehofer: „Es geht nicht um zwei Wochen. Es besteht ein grundlegender Dissens. Die CSU will nationale Lösungen (in der Asyl- und Zurückweisungsfrage), die CDU will eine nationale Lösung nicht. Das ist der Unterschied. Und da sind wir noch längst nicht über dem Berg.“ Fragt ein Journalist: „Dann geht also in zwei Wochen der ganze Streit wieder von vorne los?“ Antwortet Seehofer kühl: „Es sei denn, es käme zu europäischen Maßnahmen, die das Gleiche bewirken“ – wie die von ihm jetzt durchgesetzten Maßnahmen.Durchgesetzt? Ja, Seehofer sagt, er freue sich, dass „innerhalb eines einzigen Montagvormittags“ die Merkel’sche Zustimmung zu den 63 Punkten seines Masterplans „von 62 auf 62,5 Punkte gestiegen“ sei. Auch wenn er während der CSU-Vorstandssitzung „trotz verzweifelter Bemühungen nicht verstanden“ habe, zu welchem halben Punkt die CDU-Chefin jetzt zusätzlich Ja sagt. Im Grunde ist ihm das sowieso egal. Schon „sobald ich zurück in Berlin bin“, will er mit „vollumfänglicher“ Rückendeckung aus der CSU „die Bundespolizei anweisen“, ab sofort keine Leute mehr ins Land zu lassen, die wegen der Dublin-Verordnung bereits einmal in ein anderes europäisches Land umgelagert worden sind oder über denen sonst eine Einreisesperre lastet: Straftäter, Gefährder, Abgeschobene. Das habe er sowieso „erst in meiner noch jungen Ministerkarriere“ erfahren, sagt Seehofer, dass Menschen trotz rechtskräftigen Einreiseverbots weiter über die deutschen Grenzen kämen: „Das können Sie niemandem in der Bevölkerung erklären. Es ist skandalös, dass so was über Jahre möglich war.“

Schon bald der nächste Streit?

Und dann – skeptisch hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Kanzlerin auf europäischer Ebene – will Seehofer alles vorbereiten, damit „spätestens ab Anfang Juli“ auch andere Menschen abgewiesen werden können: solche nämlich, die bereits in einem anderen EU-Land als Asylbewerber registriert sind. Übers Wochenende haben CSU-Granden ja immer wieder gesagt, „die Merkel“ habe ja „aus logistischen und technischen Gründen“ faktisch sowieso noch Zeit bis über den EU-Gipfel am 28./29. Juni hinaus. Vorher sei die Bundespolizei noch gar nicht für größere Zurückweisungen unmittelbar an der Grenze ausgerüstet. Von einer politischen „Gnadenfrist“ für Merkel müsse man also gar nicht reden, hieß es in der CSU. Alles nur technische Gründe . . .In Berlin hat Angela Merkel soeben ausgeschlossen, dass es zu einem „Automatismus“ bei den Zurückweisungen kommt, wenn eine europäische Lösung scheitert. Mit der gewollten Zeitverschiebung von einigen Minuten sagt Seehofer aus seiner Münchner Distanz, nach dem Europa-Gipfel werde man schon noch ein bis zwei Tage mit der Kanzlerin reden. Aber lediglich, weil das „eine Frage des Anstands“ sei.

Schlachtpläne im Werden

Und wenn die Kanzlerin dann zum Äußersten greift, wenn sie ihrem Innenminister die Zusammenarbeit aufkündigt, genauso wie Seehofer es am Wochenende – „Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten!“ – getan haben soll? Was Anfang Juli sein wird, sagt er, „das lasse ich ruhig auf mich zukommen“. Dann entschwindet er zu den Bundestagsabgeordneten der CSU, die sich auch noch in München versammelt haben. Es herrscht offensichtlich großer Gesprächsbedarf: für Schlachtpläne.