Der Verein für Kultur, Bildung und Integration (VKBI) hat schon vor Fristablauf der Stadt gegenüber eine Erklärung abgegeben. Der VKBI-Chef will die Entschädigungsfrage klären.

Bis Ende September hätte der Verein für Kultur, Bildung und Integration (VKBI) Zeit gehabt, sich bei der Stadt Leinfelden-Echterdingen zu melden. Doch schon jetzt liegt ein Schreiben des muslimischen Vereins auf dem Schreibtisch von Oberbürgermeister Otto Ruppaner, wie er unserer Zeitung bestätigt. „Dieses gilt es nun unter anwaltlicher Begleitung inhaltlich zu prüfen und im Gemeinderat zu bewerten“, erklärt er. Über den Inhalt des Schriftstücks schweigt sich der Rathaushauschef aus.

 

Ein Abriss der Moschee kommt nicht in Frage

VKBI-Chef Muhammet Güçlü lässt sich zumindest ein Stück weit in die Karten blicken: „Ein Abriss der Moschee, wie sich das die Stadt vorstellt, kommt für uns nicht in Frage“, sagt er unserer Zeitung. Das deckt sich mit den Aussagen des Kölner Dachverbandes VIKZ, der sich kurz nach der überraschenden Entscheidung des Gemeinderates zu Wort gemeldet hatte: „Als Verband der Islamischen Kulturzentren möchten wir – im Einklang mit unserem Ortsverein in Leinfelden-Echterdingen – erklären, dass ein Abriss der betreffenden Moschee nicht in Betracht kommen darf“, hatte ein Sprecher unserer Zeitung mitgeteilt: „Eine solche Forderung kann und wird unser Ortsverein nach eigenem Bekunden nicht umsetzen.“

Ende Juli hatte der Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen grünes Licht für den Abriss der Moschee im Oberaichener Gewerbegebiet gegeben. Die Muslime wurden aufgefordert, bis Ende des Jahres das fast fertig gebaute Gebetshaus, das mittlerweile genauso wie das Grundstück der Stadt gehört, auf eigene Kosten abreißen lassen. „Der Rückbau stellt die Verwertbarkeit des Grundstückes wieder her und beendet den aktuellen Schwebezustand“, hatte Otto Ruppaner in seiner Rede betont. Anlass der Entscheidung: Der VKBI und sein Dachverband wollten neben dem Gebetshaus nun doch das umstrittene Schülerwohnheim errichten. Obwohl dieser Punkt von Anfang an der Zankapfel in dem Streit zwischen der Stadt und den Muslimen gewesen ist.

Die Stadt müsste wohl den Verein entschädigen

Die Abriss-Thematik könne auch erst dann behandelt werden, wenn der Punkt mit dem Verwendungsersatz geklärt ist, setzt VKBI-Chef Muhammet Güçlü nun nach. Er nimmt damit Bezug auf eine Sache, die bereits am Stuttgarter Oberlandesgericht und auch am Bundesgerichtshof in Karlsruhe (BGH) Thema war. Beide Gerichte hatten der Stadt einerseits recht gegeben: Der muslimische Verein muss den Moscheebaugrund im Oberaichener Gewerbegebiet an die Stadt Leinfelden-Echterdingen zurückgeben, ihr das Erbbaurecht zurückübertragen.

Der sogenannte Heimfall, der ausgesprochen wurde, nachdem es den Muslimen nicht gelungen war, den ersten Bauabschnitt des Moscheegebäudes innerhalb von vier Jahren fertigzustellen, war rechtens. Allerdings muss die Stadt die Muslime für den Bau des Gebetshauses entschädigen, urteilten beide Gerichte. Zumindest dann, wenn dieses Gebäude den Verkehrswert des Grundstückes tatsächlich erhöht, hatte der BGH-Senat im Januar 2024 festgestellt. „Solange diese Frage nicht geklärt ist, können wir rein rechtlich gar nicht über einen Abriss reden“, stellt Muhammet Güçlü fest.

Dekra hat der Moschee kein gutes Zeugnis ausgestellt

Allerdings gibt es mittlerweile auch ein Gutachten, das die Stadt in Auftrag gegeben hatte. Experten der Prüfanstalt Dekra hatten die Moschee auf den Fildern unter die Lupe genommen. Die Prüfer hatten der Moschee und damit auch ihren Bauherren – dem VKBI und dem VIKZ – kein gutes Zeugnis ausgestellt. Selbst wenn man das Gebäude, so wie es jetzt dasteht, fertig bauen will, müssten weitere 2,5 Millionen Euro netto investiert werden, hatte eine Sachverständige berechnet. Ein Abriss des Gebäudes wäre günstiger zu haben.

Sorgen über die teilweise unübersichtliche Lage macht sich derweil der Antisemitismusbeauftragter der baden-württembergischen Landesregierung Michael Blume: „Ich fürchte, dass in der derzeitigen Weltlage Bilder vom Abriss einer fast fertigen Moschee von Radikalen aller Seiten zur weiteren digitalen und internationalen Polarisierung der Menschen missbraucht werden. Gerade weil wir Deutschen uns doch so gerne als gereifte Demokratie verstehen, wünsche ich mir mehr Dialog der Verantwortung zwischen Mehrheiten und Minderheiten.“

Vorgeschichte des Streits

Vergangenheit
Der muslimische Verein VKBI hat sich mit Hilfe seines Dachverbandes VIKZ und mit Hilfe von Spenden an der Wilhelm-Haas-Straße/Raiffeisenstraße in Oberaichen ein Gebetshaus gebaut – allerdings nicht fertig. Zum Weiterbau hatte es über Jahre hinweg Streit mit der Stadt Leinfelden-Echterdingen gegeben, drei Gerichte hatten sich mit dieser Auseinandersetzung befasst. Mittlerweile gehört die Moschee der Stadt.

Die Entscheidung
Das ausführliche Statement der Stadt zur Gemeinderatssitzung, in der über den Abriss entschieden wurde, ist auf der Internetseite der Kommune zu finden: www.leinfelden-echterdingen.de. Dort wird unter anderem Oberbürgermeister Otto Ruppaner zitiert mit den Worten: „Das Vertrauen ist aufgebraucht.“