Der Agrarminister sieht keine Notwendigkeit, die Mengen an Pflanzenschutzmitteln auf Äckern, Obstplantagen und Weinbergen näher zu beziffern. Zwar hatte der Naturschutzbund ihn dazu aufgefordert, doch Peter Hauk (CDU) sieht keinen Anlass für weitere bürokratische Maßnahmen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Niemand weiß, wie viele Pflanzenschutzmittel in Baden-Württemberg auf Äcker, Obstplantagen und Weinberge ausgebracht werden – und daran will Agrarminister Peter Hauk (CDU) auch nichts ändern. In der Antwort auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion schrieb der Minister: „Die Landesregierung hält das Informationsbedürfnis von Öffentlichkeit und Verbrauchern (. . .) für wichtig und sieht es als gedeckt an.“

 

Hintergrund ist ein Streit zwischen dem Agrarminister und dem Naturschutzbund (Nabu), der im März den ersten Pestizidbericht für Baden-Württemberg veröffentlicht hatte. Darin wird Minister Hauk aufgefordert, Zahlen über die tatsächlichen Mengen vorzulegen. Hauk hatte dies zunächst abgelehnt mit dem Hinweis, dies gehe die Bevölkerung nichts an. Am nächsten Tag ruderte er zurück. Doch in der Sache bleibt er hart, wie die Antwort zeigt, die Ende Mai ergangen ist. In der Tat gibt es nur bundesweite Zahlen über die verkauften Mengen an Pflanzenschutzmitteln. Danach werden jährlich rund 35 000 Tonnen an Wirkstoffen abgesetzt. Das Julius-Kühn-Institut sammelt daneben Daten auf freiwilliger Basis, aber ebenfalls bundesweit. Weiter ist jeder Landwirt verpflichtet, seinen Verbrauch zu dokumentieren, muss die Zahlen aber nur im Fall einer Kontrolle vorzeigen.

Hauk: Beanstandungen sind sehr selten

In seiner Begründung führt Minister Hauk aus, dass es bei den regelmäßigen Untersuchungen von Grund- und Flusswasser durch die Landesanstalt für Umwelt sehr selten zu Beanstandungen komme: „Die langjährigen Ergebnisse geben keinen Anlass für weitergehende umfassende bürokratische Maßnahmen“, heißt es.

Die Landeswasserversorgung (LW) hat allerdings in den vergangenen Jahren mehrfach Glyphosat und zwei Neonicotinoide in Gräben und auch in der Donau nachgewiesen. Das Umweltministerium sieht dennoch keinen Anlass, darauf zu reagieren – die Daten der LW seien zu wenig konkret und zu wenig repräsentativ, sagt eine Sprecherin auf Nachfrage. Man verlasse sich auf die Messungen der Landesanstalt für Umwelt. Jedoch misst diese gar nicht in kleinen Bächen und Gräben, und auch in den Flüssen kann aufgrund der vielen Wirkstoffe nicht jeder auch nur einmal jährlich geprüft werden. Denkbar wäre, dass es unregelmäßige Spitzen gibt, wenn etwa Pflanzenschutzmittel nach einem Regen in die Flüsse gewaschen werden.

In dem Schreiben des Agrarministeriums wird sogar eingeräumt, dass besonders kleine Gewässer durch die Spritzmittel belastet werden können: „Es ist erwiesen, dass sich Belastungen mit Pflanzenschutzmitteln (. . .) nachteilig auf die Population der Kleinlebewesen der Gewässersohle von Fließgewässern und Seen auswirken können.“ Auch die „Bestandstrends von 15 Singvogelarten“ seien nach einer niederländischen Studie „mit der Konzentration eines Neonicotinoids im Oberflächenwasser negativ korreliert“.

Das Ministerium setze aber weiter auf den sogenannten integrierten Pflanzenschutz, bei dem so wenig Spritzmittel wie möglich eingesetzt werden. Dies schone das Klima, gehe nicht auf Kosten weiteren Flächenverbrauchs und sichere die Ernährung – ohne Pflanzenschutzmittel gehe der Ertrag je nach Kultur zwischen 30 und 50 Prozent zurück. Das Ministerium führt daneben fast 30 Projekte im Land an, mit denen der Einsatz von Spritzmitteln reduziert werden soll. Einen verpflichtenden ökologischen Anbau auf den Pachtflächen des Landes lehnt Minister Peter Hauk ab.

SPD ist von Hauks Antwort enttäuscht

Die umweltpolitische Sprecherin der SPD, Gabi Rolland, ist enttäuscht von der Antwort: „Im Grunde ist es eine Frechheit zu behaupten, man sei in Baden-Württemberg erfolgreich bei der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, ohne dies belegen zu können und zu wollen.“ Die vielen laufenden Projekte seien zwar erfreulich, aber es sei nicht ersichtlich, inwieweit sie erfolgreich seien. Rolland forderte erneut die Veröffentlichung der Daten. Diese lägen in den Ackerbüchern der Landwirte ohnehin vor. Allerdings wäre es tatsächlich ein hoher Aufwand, diese Daten bei allen Landwirten einzusammeln, zu anonymisieren und auszuwerten.