Nach dem Austritt eines Abgeordneten droht Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner öffentlich den Rausschmiss eines ihrer Kritiker an. Sie will sich damit gegenüber dem Rest des „gemäßigten“ Flügels durchsetzen.

München - Mit 10,2 Prozent der Wählerstimmen und mit 22 von 205 Abgeordneten ist die AfD vergangenen Oktober erstmals in den Bayerischen Landtag eingezogen. Sie hatte sich mehr Zuspruch erwartet in dem Land, das von der großen Flüchtlingswelle 2015 am stärksten mitgenommen worden war. Und während die Unterstützung im Volk nun offenbar auch noch sinkt – der jüngsten Umfrage des Bayerischen Rundfunks zufolge käme die AfD im Freistaat nur mehr auf acht Prozent –, zerlegt sie sich im Landtag selbst.

 

Ausgetreten aus Fraktion und Partei ist vergangene Woche der Abgeordnete Raimund Swoboda. Und für diesen Dienstag hatte Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner bereits den Rauswurf eines politischen Schwergewichts angekündigt: des Rosenheimer Gastwirts Franz Bergmüller. Die beiden Fälle hängen eng miteinander zusammen. Es geht in der politisch tief gespalteten bayerischen AfD um eine Richtungsentscheidung zwischen nationalkonservativ und völkisch-rechts. Und die ist jetzt nur aufgeschoben: Am Montag Abend nahm Ebner-Steiner die Drohung „nach vertieften Gesprächen“ mit Bergmüller zurück. „Vorerst“, wie sie ausdrücklich schreibt.

„Zunehmendes Gebrüll“

Raimund Swoboda (68 Jahre alt, früher Polizeidirektor) hat seinen Austritt mit einer wüsten Presseerklärung begründet, in der er seinen AfD-Freunden ein „neonational-revolutionäres Extremismus-Denken“ vorwirft. Sie träten „mit zunehmend aggressivem Gebrüll“ als „rechtsradikale Gesinnungshasardeure“ auf, auch wenn die politische Professionalität zu wünschen übrig lasse. Seiner Fraktionschefin wirft Swoboda „Selbstherrlichkeit“ vor. Er sagt, Katrin Ebner-Steiner habe sich mit einem „ultrarechten Hofstaat“ umgeben; andere AfD-Leute würden ausgegrenzt. Ebner-Steiner schießt zurück. Sie führt den Austritt Swobodas auf gekränkte Eitelkeit zurück: er habe es nicht verwunden, dass die Fraktion ihn, den früheren Polizeimann, nicht für den Innenausschuss nominiert habe.

Franz Bergmüller allerdings ist seinem bisherigen Fraktionskollegen politisch beigesprungen. Swoboda, sagt er, habe ein „drastisches Zeichen“ gesetzt, dass die AfD nicht nach rechts abdriften dürfe: „Dies entspricht definitiv nicht dem Grundgedanken der Partei, und das ist auch nicht, wofür ich und die meisten meiner Parteikollegen stehen.“

Ebner-Steiner, die noch vor kurzem behauptet hatte, in der AfD herrsche „Meinungsfreiheit statt Konformitätsdruck“, nahm Bergmüllers Anmerkungen sehr übel. Sie warf ihm „Illoyalität“ vor; er habe sich mit den „abwegigen und unzutreffenden Vorwürfen“ Swobodas öffentlich solidarisiert. Und so sei eben „aus der Mitte der Fraktion“ der Ausschluss-Antrag gegen Bergmüller gekommen.

Fraktionschefin hat Nähe zu Björn Höcke

Bergmüller und Swoboda gehören (oder gehörten) in der AfD zu den eher stilleren, bürgerlich-gemäßigten Figuren, während zwei Drittel der Fraktion zum Rechtsaußen-Lager der Fraktionschefin gezählt werden. Die 40-jährige wiederum gilt als treue Gefolgsfrau des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke – dermaßen, dass manche im Landtag bereits vermuten, ihre eigenen, seltsam gestelzten Reden sowie die kalkuliert provokativen und stets peinlich penibel vom Papier abgelesenen Wortmeldungen des rechten Flügels würden nicht eben in Bayern geschrieben.

Die AfD-Leute, denen bis zum Einzug in den Landtag jegliche politische Erfahrung etwa aus Gemeinde- oder Kreisparlamenten fehlte, sind im bayerischen Parlament bisher nur durch ihre fast schon obsessive Fixierung auf die Themen Ausländer und Islam, sowie durch Provokation und lautstarke Pöbeleien aufgefallen. Besonders öffentlichkeitswirksam war das im Januar. Da verließen sie demonstrativ den Saal, als die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Charlotte Knobloch, zum Holocaust-Gedenktag über eine geistige Nähe der Täter von einst und der AfD von heute sprach. Franz Bergmüller allerdings, Raimund Swoboda und zwei weitere Abgeordnete blieben damals sitzen.

Vor dem Showdown

Im Saal blieben auch der Münchner AfD-Mann Uli Henkel, der noch bis in die ersten Tage seiner Abgeordnetenzeit unter Beobachtung des Bayerischen Verfassungsschutzes gestanden hatte, und ein gewisser Markus Plenk (49). Der Traunsteiner Biobauer ist offiziell zwar der zweite Fraktionschef – aber neben der dominierenden Ebner-Steiner fällt er genauso wie der Rest des „gemäßigten“ Flügels kaum auf.

Der Showdown ist jetzt verschoben. Aber dass Ebner-Steiner sich durchsetzen will, das hat sie deutlich gemacht.