Muss die Deutsche Bahn AG sich auch auf dem Stadtgebiet Stuttgart weiterhin um die Gäubahn kümmern? Die Anzeichen mehren sich, dass dem so ist.

Die Gäubahn droht durch neue Pläne der Deutschen Bahn AG im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 für mehr als ein Jahrzehnt vom Stuttgarter Hauptbahnhof abgehängt zu werden. Zahllose Pendler und Fernreisende aus Richtung Zürich/Singen und Freudenstadt müssten dann bis in die 2030er Jahre mit Zwangsumstiegen und langen Reisezeiten zurechtkommen. Gegen diese Verschlechterung des Bahnverkehrs wächst der Widerstand.

 

Zwei Gutachter haben für unterschiedliche Auftraggeber – Umweltverbände und die Landeshauptstadt – festgestellt, dass die Bahn AG eine Betriebspflicht für die innerstädtische Gäubahnstrecke (Panoramabahn) habe. Die Stadtverwaltung hält ihr Gutachten seit 19 Monaten unter Verschluss. Es habe der „internen Meinungsbildung gedient“, hieß es am Freitag vergangener Woche aus dem Rathaus, als unsere Zeitung die Inhalte öffentlich machte. Dabei entscheidet nicht die Stadtspitze intern über die Zukunft des Schienenwegs und die Anbindung der Stadt, sondern der Gemeinderat.

Prüfung für oberirdischen Weg

Am 28. Juni sollen die Gutachten in einer Ausschusssitzung vorgestellt werden. SPD und Grüne wollen, dass ein zeitlich begrenzter oberirdischer Weiterbetrieb der Gäubahn bis zum alten Kopfbahnhof geprüft wird. Gefragt wird nach Verzögerungen für den geplanten Städtebau.

Ende 2025 will die Bahn AG Stuttgart 21 mit Durchgangsbahnhof in Betrieb nehmen. Die Gäubahn könnte dort erst einfahren, wenn sie über neue Tunnel von Böblingen zum Flughafen Anschluss an das S-21-System findet. Dauer: etwa 13 Jahre. Ursprünglich sollte sie den bestehenden Weg der S-Bahn zum Airport nutzen. Das wäre nicht bis Ende 2025, aber vielleicht bis 2028 möglich.

Staatskonzern kappt Gäubahn

Die Deutsche Bahn AG will die Gäubahn bis zur großen Lösung im Vorortbahnhof in Stuttgart-Vaihingen enden lassen, sie hält das für ausreichend. Bemühungen von Land, Region und Stadt Stuttgart für einen zusätzlichen Nordhalt am Nordbahnhof scheinen sich zu zerschlagen. Man engagiere sich für den Zusatzhalt, doch „offen ist insbesondere die Frage, wer künftig die heutigen Anlagen der DB Netz AG betreibt“, schreibt Bau- und Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne) in einem von der Stadt veröffentlichten Brief an den Stadtrat Christoph Ozasek. Pätzolds Aussage überrascht. Das städtische Gutachten der Kanzlei WMRC (Berlin) hat die Frage so beantwortet: Die DB AG müsse als Betreiberin auf der Panoramastrecke weiterhin Züge fahren lassen.

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Unterstützung erhalten WMRC und Professor Urs Kramer, der für Umweltverbände zum gleichen Schluss kam, vom Eisenbahn-Bundesamt (Eba). Die Aufsichtsbehörde hat alle S-21-Abschnitte genehmigt, auch jenen, der das Abhängen der Gäubahn vom Hauptbahnhof zulässt. Genehmigt wurden allerdings sechs Monate, nicht zehn Jahre oder mehr.

Eba: Kein Antrag auf Stilllegung

„Die derzeit in Betrieb befindliche Strecke unterliegt der Betriebspflicht“, stellt das Eba auf Anfrage fest. Diese ende „mit der Umsetzung einer Stilllegungsgenehmigung nach Paragraf 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes“ – wofür dem Eba kein Antrag vorliege, so eine Sprecherin. Auch gebe es keinen Antrag auf den Rückbau der bisherigen Anbindung der Gäubahn an den Hauptbahnhof.

Die genehmigte Unterbrechung stelle keinen Verstoß gegen die Betriebspflicht dar, „wenn sie dazu dient, die sichere Befahrbarkeit der Strecke wiederherzustellen“. Die Überlegungen zum Tunnelbau auf den Fildern seien dem Eba bekannt. Wie mit der Gäubahn zum Hauptbahnhof beim Schwenk auf die neue Tunnelvariante umgegangen werde, sei im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für diese Variante zu beurteilen.