Jetzt ist sich auch die Union bei Abschiebungen nach Syrien uneins. Bundesinnenminister Seehofer (CSU) lehnt sie ab. Baden-Württembergs Innenminister Strobl (CDU) – ein starker Befürworter der Rückführungen zumindest von Straftätern – findet die Situation „nicht zufriedenstellend“.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Offenkundig hatten sich einige Unionspolitiker vom jüngst bekannt gewordenen Lagebericht des Auswärtigen Amtes über das Bürgerkriegsland Syrien zu viel versprochen. Denn der zeichnet ein eindeutiges Bild: Viele zurückkehrende Flüchtlinge würden in ihrer Heimat von staatlicher Seite zumindest als Feiglinge, wenn nicht gar als Verräter oder Terroristen betrachtet. Nicht selten drohen (vermeintlich) Andersdenkenden gar Folter und Tod. Es seien Fälle bekannt, in denen Rückkehrer zeitweilig inhaftiert wurden oder verschwanden.

 

Vor allem der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl hatte wohl andere Hoffnungen auf den Bericht gesetzt. Der CDU-Vize hatte schon Anfang November im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Freiburger Massenvergewaltigung, nach der ein polizeibekannter Syrer der Hauptverdächtige ist, auf eine neue Lageeinschätzung für Syrien gedrängt mit dem Ziel, dass syrische Straftäter in sichere Gebiete des Landes abgeschoben werden können. Dafür hat er Rückendeckung von mehreren Innenministern der Union bekommen.

„Aussagen von Seehofer durchaus nachvollziehbar“

Nun ist ihm ausgerechnet der Bundesinnenminister Horst Seehofer in die Quere gekommen. Dem „Spiegel“ sagte der Nochvorsitzende der CSU am Freitag: „Der Bericht des Auswärtigen Amtes ist plausibel.“ Daraus folgt für ihn: „Im Moment kann in keine Region Syriens abgeschoben werden, das gilt auch für Kriminelle.“ Damit hat Seehofer die Vorzeichen für die Konferenz der Innenminister vom 28. bis 30. November in Magdeburg umgedreht – nun stehen die Signale wieder auf Verlängerung des seit 2012 geltenden Abschiebestopps, der im Dezember ausläuft. Beim Koalitionspartner in Berlin, der SPD, hatte sich ohnehin schon Widerstand gegen den Strobl-Kurs aufgebaut. Nun zurrt Seehofer die Ablehnung der Bundesregierung fest. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) – der Vorsitzende dieser Innenministerkonferenz – pflichtet rasch bei: An der Verlängerung des Abschiebestopps führe kein Weg vorbei. Aus Sicht der CDU-geführten Länder solle dieser aber nur bis Mitte 2019 gelten.

Der Baden-Württemberger reagiert enttäuscht – vermeidet aber eine offene Konfrontation. „Das Lagebild aus dem Auswärtigen Amt, auf das ich so gedrängt habe, ist jetzt endlich da“, sagte Strobl unserer Zeitung. Der Bundesinnenminister habe sich inzwischen „ebenfalls dazu eingelassen“. „Auf den ersten Blick finde ich die Aussagen von Minister Seehofer durchaus nachvollziehbar – aber, Sie werden verstehen, zufriedenstellend finde ich die Situation nicht.“ Die Frage der Abschiebungen nach Syrien werde jedenfalls bei der Innenministerkonferenz eine Rolle spielen – sie müsse dort näher erörtert werden. „Das muss dauerhaft im Blick behalten werden“, betonte Strobl.

Wenn Seehofer kippt, ergibt sich eine neue Lage

Dem CDU-Mann fällt es offenkundig schwer, sich mit Seehofers Einlassung als endgültigem Stand abzufinden – er will die Diskussion weiter treiben. Möglicherweise setzt er darauf, dass der Bayer doch nicht so lange Bundesinnenminister bleibt, wie er es selbst gerne sähe. Am 19. Januar tritt Seehofer als CSU-Chef ab und überlässt das Feld seinem Dauerrivalen Markus Söder. Der dürfte fortan bei der Besetzung der CSU-Posten im Bundeskabinett das letzte Wort haben. Und wenn die beiden nicht einen geheimen Deal gemacht haben, könnte Seehofers Posten bald wackeln, sofern der öffentliche Druck auf ihn nicht nachlässt. Dann wäre wohl Bayerns Innenminister Joachim Herrmann erster Anwärter auf die Nachfolge in Berlin – ein Hardliner, der Strobls Haltung in Sachen Abschiebung nach Syrien teilt. Werden dann die Karten neu gemischt?