Joe Biden beginnt seine Europa-Tour mit einem Besuch im Kanzleramt. Merkel würde dort auch gern mal Obama begrüßen – möglichst vor der Wahl.

Berlin - Nachfragen wollte Kanzlerin Angela Merkel nicht zulassen, nur ein kurzes Statement akzeptierte sie vor ihrem Treffen mit Vizepräsident Joe Biden. Sie wollte zum einen damit die knappe Zeit nutzen, die ihr blieb, um mit Biden eine beachtliche Agenda abzuarbeiten. Und sie unterband zum anderen die unliebsame Frage, wann Präsident Barack Obama endlich zu Besuch ins Kanzleramt kommt. Die Informationen fielen dürftig aus. Merkel betonte die Bedeutung, die Deutschland der Einrichtung einer Freihandelszone zwischen Europa und Amerika beimisst und sagte, dass man sich über die Regulierung der Finanzmärkte, die neuen Kraftzentren in Asien und den gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan unterhalten wolle. Biden richtete Grüße von Obama aus, betonte die Bedeutung Deutschlands und Europas und stellte in Aussicht, dass für ihn auch der Iran Thema der gemeinsamen Unterredung sein werde. Das war’s auch schon.

 

Gleichwohl wird Bidens Stippvisite nach der Wiederwahl Obamas in Berlin einige Bedeutung beigemessen. Biden wiederum ist bei seiner fünftägigen Europa-Tour offenbar vor allem daran gelegen, eine gemeinsame Linie im Iran-Konflikt und in der Syrien-Frage auszuloten, wenn möglich gemeinsam mit Russland. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ bot er Teheran direkte Verhandlungen über das iranische Atomprogramm an, sagte aber auch: „Dieses Fenster wird nicht unbegrenzt offenstehen.“ Die USA würden den Iran „daran hindern, eine Nuklearwaffe zu bekommen.“ Biden wird am heutigen Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz erwartet, wo er am Rande der Veranstaltung mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, Vertretern der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga über die Lage in Syrien reden will. Am 4. Februar wird er in Paris zu einem Gespräch mit Frankreichs Staatspräsident Françoise Hollande erwartet. Hauptthema dürfte die Lage in Mali und die US-amerikanische Unterstützung der französischen Truppen sein. Anschließend reist Biden nach London weiter, um mit Premierminister David Cameron zusammen zu treffen.

Wann kommt Obama?

Im Kanzleramt weckt Bidens Besuch die Hoffnung, eine nicht enden wollende Geschichte könnte womöglich doch noch ein glückliches Ende nehmen. Der Kanzlerin käme es gelegen, wenn der in Deutschland äußerst beliebte Obama ihr in Berlin noch vor der Bundestagswahl einen Besuch abstatten würde. Während seiner ersten Amtszeit hatte sich Obama geweigert, Merkel im Kanzleramt zu besuchen. Nicht nur von der Opposition wurde dies als Beleg dafür gewertet, dass es um die transatlantischen Beziehungen unter ihrer Führung nicht zum Besten bestellt ist. In der Tat sind Merkel Politiker vom Schlage Obamas suspekt. Sie beneidet und bewundert den Präsidenten wegen seines charismatischen Auftritts. Eine Rede vor dem Brandenburger Tor hat sie ihm im US-Wahlkampf 2008 verweigert. Auf Arbeitsebene lief die Zusammenarbeit zwischen dem Kanzleramt und der US-Administration gleichwohl ohne erkennbare Störungen.

Obamas mangelndes Interesse an einem Besuch im Kanzleramt spiegelt wohl kaum ein Bedürfnis, Merkel gezielt zu schaden, sondern vor allem die veränderten geostrategischen Ambitionen der US-Regierung. In Deutschland und Europa ist sehr genau registriert worden, dass sich die USA unter Obamas Führung dem Pazifikraum zuwenden. Seine Erwartung ist, dass Europa seine Probleme und die Krisen in Nachbarregionen wie dem Norden Afrikas künftig selbst löst. Im Kanzleramt geht man davon aus, dass die absehbare Unabhängigkeit der USA von Ölimporten – ermöglicht durch neue Fördertechniken – diesen Prozess beschleunigen wird.