Streit über die Dienstpflicht Ist die Dienstpflicht verfassungswidrig?

Dienst in Uniform ist seit 2011 freiwillig. Das muss aber nicht so bleiben. Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen und Männer würde eine Verfassungskorrektur erfordern. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hielten so etwas aber keineswegs für menschenrechtswidrig.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Knapp acht Millionen der noch lebenden Deutschen haben nach einer Schätzung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr schon Wehrdienst geleistet – eine Million sogar freiwillig. Mit der Wehrpflicht war 2011 erst einmal Schluss. In Friedenszeiten ist sie seitdem ausgesetzt – aber keineswegs abgeschafft. Zuletzt wurde ohnehin nur noch jeder dritte Wehrpflichtige tatsächlich zum Dienst in der Armee herangezogen. Diese mangelhafte „Wehrgerechtigkeit“ war einer der Gründe, die Wehrpflicht vorerst außer Kraft zu setzen.

 

Wer keine Waffe in die Hand nehmen oder gar benutzen wollte, konnte seit 1961 auch Zivildienst leisten. Im Unterschied zur Wehrpflicht, die erst 1956 eingeführt worden ist, stand die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung schon in der Urfassung des Grundgesetzes von 1949. Bis 2011 haben 2,7 Millionen junge Bundesbürger Zivildienst geleistet.

Bei Neuauflage wären auch Frauen dienstpflichtig

Die Gegner einer allgemeinen Dienstpflicht, wie sie gerade wieder diskutiert wird, klammern sich an den Artikel 12 des Grundgesetzes. „Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden“, heißt es dort – allerdings mit der Einschränkung: „außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht“. Dienste nach dem Muster eines Freiwilligen Sozialen oder Ökologischen Jahres gelten in diesem Sinne nicht als „herkömmlich“, da sie erst in jüngerer Zeit erfunden worden sind.

Viel eher hatten die Verfasser des Grundgesetzes dabei an Dienste in einem Zivilschutzverband, Feuerwehr- oder Deichschutzpflichten gedacht. Zudem bezogen sich die von ihnen erwogenen Dienstpflichten inklusive der nachträglich eingefügten Wehrpflicht immer nur auf Männer. Insofern, heißt es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes für den Deutschen Bundestag, wäre die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für alle Geschlechter „durch einfaches Gesetz nach dem geltenden Verfassungsrecht nicht zulässig“.

Korrektur des Grundgesetzes erforderlich

Ein Pflichtjahr für alle Bürger, so der Wissenschaftliche Dienst, werde seit mehr als 200 Jahren diskutiert. Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes lasse erkennen, dass dabei auch an „erzieherische Motive“ gedacht worden sei. Jedenfalls spreche die Intention der Mütter und Väter des Grundgesetzes „dagegen, dass die Auferlegung von Dienstpflichten als schlechthin mit der Menschenwürde unvereinbar angesehen“ worden sei.

Zur Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht bedürfte es allerdings einer Korrektur des Grundgesetzes, die nur mit Zweidrittelmehrheiten im Bundestag und in der Länderkammer durchzusetzen wäre – was im Moment aufgrund der politischen Kräfteverhältnisse als unrealistisch gilt. Bei der Einführung einer Dienstpflicht wäre die in Artikel 1 des Grundgesetzes formulierte Menschenwürdegarantie zu beachten. Der Wissenschaftliche Dienst leitet daraus ab, dass sie zeitlich klar begrenzt sein müsste und niemanden „zum bloßen Objekt des Staates degradieren“ dürfte.

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