Die Union kämpft für Transitzonen, die SPD für Registrierungszentren. Beides verfolgt den Zweck, den Zustrom an Flüchtlingen einzudämmen. StZ-Korrespondent Armin Käfer erläutert die Konzepte und zeigt Spielraum für einen Kompromiss auf.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Bis Donnerstag wollen sich Union und SPD darauf verständigen, wie sie den Flüchtlingszustrom drosseln können. Im Vordergrund steht dabei der Konflikt um so genannte Transitzonen. Die Sozialdemokraten plädieren statt dessen für Registrierungszentren. Wir erklären, wie sich das unterscheidet.

 

Was ist eine Transitzone?

Die Asylverfahrensrichtlinie der EU eröffnet die Möglichkeit zu beschleunigten Asylverfahren. Das wird bereits praktiziert, wenn Flüchtlinge mit dem Flugzeug ankommen. Dann überprüft die Bundespolizei noch am Flughafen, ob sie in Deutschland überhaupt einen Asylantrag stellen dürfen. Bis das geklärt ist, bleiben die Betroffenen im Gewahrsam der Polizei. Die Union will dieses Verfahren auch an den Landgrenzen einführen. Eckpunkte hat Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) in einem zweiseitigen Arbeitspapier skizziert. In der Transitzone sollen die Flüchtlinge binnen eines Tages registriert und erkennungsdienstlich behandelt werden. Dieses Verfahren schließt auch einen Abgleich mit dem Ausländerzentralregister und der Fingerabdruckdatei („Eurodac“) ein. So lässt sich klären, ob diese Personen schon in einem anderen Land registriert oder polizeibekannt sind.

Wenn es Anhaltspunkte gibt, dass ihr Asylgesuch unbegründet oder unzulässig ist, weil sie aus einem sicheren Herkunftsland oder Drittstaat kommen, werden die Betreffenden in den Gewahrsam der Bundespolizei überstellt. Dort sollen sie maximal vier Wochen bleiben. In dieser Zeit muss das Asylverfahren inklusive Rechtsschutz abgewickelt sein. Die EU-Richtlinie lasse „bei massenhaftem Zustrom auch eine Durchführung im Landesinneren zu“, so Minister Hermanns Konzept.

Warum ist die SPD dagegen?

Nach Ansicht des Parteichefs Sigmar Gabriel sind „riesige Haftzonen weder organisatorisch durchführbar noch rechtlich darstellbar“. Damit bezweifelt er die Gültigkeit der europäischen Asylverfahrensrichtlinie. Der SPD-Justizminister Heiko Mass hat sich wiederholt gegen „Haftanstalten für Tausende von Flüchtlingen an der Grenze“ ausgesprochen. Auch der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall zweifelt an der Umsetzbarkeit. Von „Haft“ ist im Konzept der Union aber nicht die Rede. In Polizeigewahrsam sollen nur Kandidaten kommen, deren asylrechtliche Ansprüche offenkundig zweifelhaft sind. Alle anderen würden in das übliche Verfahren überwiesen.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

„Statt neue und komplizierte Verfahren aufzubauen, rate ich dazu, endlich mal Wartezonen und Abschiebung aus der Erstaufnahme umzusetzen“, sagt SPD-Chef Gabriel. Wartezonen hat der Bund in Bayern an zwei Plätzen eingerichtet: in Erding und Feldkirchen bei Straubing. In beiden Einrichtungen können je 5000 Flüchtlinge unterkommen, 1500 Plätze sind winterfest. Die Wartezonen sollen Engpässe an den Grenzen und damit die Bundespolizei sowie die bayerischen Behörden entlasten helfen. Von dort aus werden die Flüchtlinge an die anderen Bundesländer überwiesen. Wartezonen könnten auch Transitzonen werden. Darüber ist bisher nicht entschieden. Sie dürften dann aber nicht Transitzonen heißen, damit die SPD das Gesicht wahren kann. Abschiebungen aus Erstaufnahme-Einrichtungen, wie Gabriel das fordert, ist nach den verschärften Asylregeln jetzt schon möglich. Falls sich das Transitverfahren verzögert, könnten die Betroffenen auch in spezielle Ausreisezentren überwiesen werden, wie Bayern in Manching eines für Balkanflüchtlinge eingerichtet hat. Sowohl die Union als auch die SPD wollen die Verfahren beschleunigen und unberechtigte Asylbewerber möglichst rasch ausweisen. Das ist auch Zweck der Transitzonen. Bisher sind viele Flüchtlinge noch gar nicht registriert, auch wenn sie bereits seit geraumer Zeit in Deutschland sind. Insgesamt sollen das 100 000 sein.

Wer darf die Familie nachholen?

Asylbewerber, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, oder abgelehnte Bewerber, die zur Ausreise verpflichtet und nur vorübergehen noch in Deutschland sind, ist das nicht gestattet. Jetzt will die Union auch Menschen, die subsidiären Schutz genießen, für zwei Jahre den Familiennachzug verwehren. Das betrifft aber nur 1,4 Prozent der Flüchtlinge, die von Januar bis August 2015 nach Deutschland kamen, also knapp 3000.

Wie soll die Sozialhilfe gekürzt werden?

Die Union will die Kosten von Integrationskursen auf staatliche Unterhaltsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz anrechnen. Alleinstehenden Asylbewerbern stehen 359 Euro im Monat zu. Die Teilnahme an Integrationskursen ist Pflicht. Die Kosten belaufen sich auf 792 Euro für 660 Stunden Unterricht.