Kaum ist die Reform der Polizei in Kraft, steht sie schon wieder auf dem Prüfstand: Korrekturen sind im Gespräch. Bis zu einer Entscheidung will der CDU-Innenminister den Bau großer Polizeigebäude auf Eis legen, doch das gefällt dem Koalitionspartner gar nicht.

Stuttgart - Die Reform der Polizeistruktur, bei der rund 40 Leitungsbehörden zu zwölf neuen fusionierten, war eine der wichtigsten Entscheidungen der grün-roten Landesregierung. Entsprechend hitzig wurde darüber im Landtagswahlkampf gestritten. „Wer Ravensburg dem Präsidium Konstanz zuschlägt, hat das Land nicht begriffen“, wetterte etwa der damalige CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf gegen den Polizeizuschnitt in Oberschwaben. Die neue grün-schwarze Koalition zog sich im Frühjahr dann dadurch aus der Affäre, dass sie dem grün-roten Erbstück eine „Evaluation“ verordnete: Nach der Sommerpause soll das Ganze auf den Prüfstand kommen.

 

Bis dahin wurde ein Moratorium vereinbart: „Um Weiterentwicklungsmöglichkeiten nicht zu konterkarieren, werden wir bis auf weiteres reformbedingte Maßnahmen, die noch nicht vergeben oder eingeleitet sind, vorläufig aussetzen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Damit sind vor allem große Baumaßnahmen gemeint, die zur Umsetzung der Reform beschlossen, aber noch nicht begonnen wurden. Der neue Innenminister Thomas Strobl (CDU) zögerte denn auch nicht lange und kündigte für acht Projekte einen vorläufigen Baustopp an – darunter mehrere Präsidiumsgebäude, ein Führungs- und Lagezentrum sowie das Polizeirevier Ravensburg. Begründung: Die Evaluation könnte ja ergeben, dass an der ein oder anderen Stelle andere Gebäude notwendig sind als bisher geplant.

Polizeigewerkschaft fordert: Weiter bauen!

Die SPD witterte darin schon vor der Sommerpause den Versuch der CDU, Fakten zu schaffen und die Reform zurückzudrehen. Nun fallen auch die Grünen dem Innenminister in den Arm. Zwar räumt Fraktionsvize Uli Sckerl ein: „Die Reform erfüllt überwiegend die Erwartungen, hat aber auch Schwächen.“ Nachbesserungen seien deshalb nicht ausgeschlossen. Doch er fügt hinzu: „Die Liste von eingefrorenen Bauvorhaben in mehr als der Hälfte der Präsidien ist zu lang und umfasst Maßnahmen, die für uns nicht zur Diskussion stehen.“

So ist für Sckerl etwa der Neubau des Polizeireviers in Ravensburg unabhängig vom Ausgang der Prüfung notwendig. Er sehe auch keinen Anlass, den Zuschnitt des Präsidiums Mannheim zu ändern und deshalb den Bau eines neue Führungs- und Lagezentrums zu stoppen, meint der Innenpolitiker: „Wir werden deshalb zeitnah mit unserem Koalitionspartner und dem Innenminister Aufgaben und Umfang der Evaluation klären.“

In dasselbe Horn stößt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP): „Wenn ich eine Polizeireform mache, brauche ich dafür die notwendigen Baumaßnahmen“, sagt Landesvorsitzender Rüdiger Seidenspinner und betont, das Geld dafür – die Reform soll netto 123 Millionen Euro kosten – stünde ja bereits im Etat. Es sei eine „Frechheit“ gegenüber den Ravensburger Kollegen, den dortigen Revierneubau auf Eis zu legen, wo diese doch in einem total maroden Gebäude arbeiten müssten. Auch andernorts sei die Polizei in Provisorien untergebracht, was nun mit einem Baustopp verlängert werde. Dass der Zuschnitt der Polizeistruktur noch verändert werden kann, wie dies manchen in der CDU vorschwebt, glaubt der Gewerkschaftschef ohnehin nicht. Denn jedes zusätzliche Polizeipräsidium binde 60 bis 80 Kräfte, und die fehlten dann an anderer Stelle.

Drei Polizeipräsidien zusätzlich?

Doch eine solche Korrektur schließt die grün-schwarze Koalition ausdrücklich nicht aus. Zwar plädierte Innenminister Strobl nie dafür, alles wieder auf „Los“ zu stellen – was angesichts der zurück gelegten Wegstrecke auch nicht vernünftig wäre. Doch dass das eine oder andere Polizeipräsidium neu geschaffen wird, gilt sehr wohl als möglich – zum Beispiel in Ravensburg. „In diesem Fall müssen doch bauliche Erweiterungen möglich sein“, gibt Thomas Blenke zu bedenken, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Darauf müsse man beim aktuellen Neubau des Polizeireviers achten, sonst verbaue man sich wortwörtlich die Chance zur Korrektur. Auch Pforzheim und Heidelberg sind als Standorte von Polizeipräsidien im Gespräch. Die Evaluierung, die unmittelbar nach der Sommerpause anlaufen soll, müsste dafür allerdings Anhaltspunkte liefern. Deshalb wäre es nicht überraschend, wenn über den Auftrag und die Fragestellung der Prüfkommission demnächst heftig gerungen würde.

Einstweilen wird Strobl versuchen, die Grünen mit der Zusicherung zu besänftigen, dass über den Baustopp ja in jedem Einzelfall entschieden werde. Wo Baumaßnahmen unabhängig von der Evaluation notwendig seien, werde man sie selbstverständlich so schnell wie möglich umsetzen, heißt es im Innenministerium. Die Ravensburger Polizisten dürfen also hoffen.