Die Stuttgarter Immobilienlobby schlägt einmal mehr harsche Töne beim Thema Opernsanierung an – und wärmt alte, längst verworfene Ideen des Vereins Aufbruch Stuttgart nach einer Kombination aus Interimsoper und Konzerthaus wieder auf. Der Verein Haus & Grund begründet seine Intervention mit den Interessen seiner Mitglieder.

Der Verein Haus & Grund Stuttgart vertritt laut Satzung die Interessen der Immobilien- und Grundstücksbesitzer in Stuttgart. So warnt er etwa regelmäßig vor einer Anhebung der Grundsteuer, gibt praktische Tipps zur energetischen Sanierung oder plädiert für die Ausweisung neuer Baugebiete zur Linderung der Wohnungsnot in der Landeshauptstadt. Neuerdings kümmert sich Haus & Grund aber auch mit Verve um das Wohl und Wehe der Kultur in der Stadt: Der Verein hat sich seit geraumer Zeit verbal auf die geplante milliardenschwere Sanierung der Stuttgarter Staatsoper eingeschossen – und teilt wieder mal kräftig aus.

 

Verein Haus & Grund: „Das ist kein Wünsch-dir-was-Fonds.“

So fordert der Vorsitzende der Immobilienlobby, der frühere CDU-Stadtrat Joachim Rudolf, nun per Pressemitteilung eine Anpassung der Sanierungsziele. „Um die Kosten im Griff zu halten, müssen die Sonderwünsche der Intendanz, die über die Grundsanierung des Littmann-Baus und der Bühnentechnik hinausgehen, auf den Prüfstand. Kultur ist wichtig, aber dieser Aufwand ist unverhältnismäßig“, meint Rudolf.

Auch der Geschäftsführer von Haus & Grund, FDP-Mitglied Ulrich Wecker, forderte einen straffen Kostenplan, der nicht von den Wünschen des Hauses ausgehe, sondern einzig die unmittelbaren Sanierungsnotwendigkeiten für den Betrieb im Blick habe. Wecker: „Es geht hier um Steuergelder und nicht um einen Wünsch-dir-was- Fonds .“

Die Äußerungen Rudolfs und Weckers entsprechen der Haltung der Landtagsfraktionen von CDU und FDP, die angesichts explodierender Baupreise und der galoppierenden Inflation die Sanierung des denkmalgeschützten Littmann-Baus infrage gestellt und die Prüfung kostengünstigerer Varianten gefordert hatten. Stuttgarts OB Frank Nopper (CDU) sowie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatten sich dagegen mehrfach zu den Sanierungsplänen bekannt. Die Vorbereitungen für das Mammutprojekt sind angelaufen; verschiedene Gutachten und Expertisen hatten die Notwendigkeit der Sanierung bestätigt, das ursprüngliche Raumprogramm war im Lauf der jahrelangen Debatte über das Projekt bereits abgespeckt worden.

Standort für Interimsoper bei den Wagenhallen erneut infrage gestellt

Haus & Grund verweist vor dem Hintergrund einer Online-Umfrage des Steuerzahlerbundes, bei dem sich mehr als 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Stadt und Land für eine günstigere Planung ausgesprochen hatten, auch auf das hohe Defizit der Staatstheater. Jedes Ticket für Opernbesucher werde bereits heute über die jährlichen Betriebskostenzuschüsse von Stadt und Land im Schnitt mit rund 120 Euro öffentlichen Geldern subventioniert, rechnet der Verein vor. Dieser Zuschuss werde durch die Milliardeninvestition weiter steigen und käme zudem nur dem „kleineren Kreis der Opern- und Ballettfans“ zugute. Das gehe zulasten der kulturellen Vielfalt.

Vereinschef Rudolf stellt auch den Standort der geplanten Interimsoper bei den Wagenhallen infrage und fordert einen erneuten, citynahen Suchlauf für die Übergangsspielstätte. Sein Plädoyer für eine Verknüpfung der Interimsoper mit den Plänen für ein neues Konzerthaus, wie es bereits vom Verein Aufbruch Stuttgart in der Vergangenheit immer wieder vorgebracht worden war, wurde allerdings von Fachleuten bereits mehrfach verworfen: Eine Oper habe baulich, akustisch und technisch völlig andere Voraussetzungen als ein Konzertsaal, hieß es zuletzt auch beim Opern-Bürgerforum, in dem sich die ausgewählten 56 Zufallsbürger nach ausführlicher Information und Diskussion über das Projekt im Dezember 2020 mit klarer Mehrheit für die Sanierungspläne ausgesprochen hatten.

Geschäftsführer Ulrich Wecker: Bürgerforum war „Volksverdummung“

Just an diesem Forum lassen Rudolf und Wecker kein gutes Haar. Wecker, der einräumt, dass sein letzter Besuch einer Opernaufführung in Stuttgart „schon ein paar Jahre her ist“, meint, das von der damaligen Staatsrätin für Bürgerbeteiligung, Gisela Erler (Grüne), initiierte Gremium habe dem Projekt lediglich eine „Pseudo-Legitimierung“ verschafft. Er spricht gar von „Volksverdummung“. Die durch die Umfrage des Steuerzahlerbundes dokumentierte Ablehnung des Vorhabens zeigt nun nach Ansicht von Haus & Grund, dass es sich dabei um keine echte Bürgerbeteiligung gehandelt habe: „Jetzt ist deutlich, dass der Wille des Volkes ein ganz anderer ist.“

Warum sich der Hausbesitzerverein so vehement in die Debatte über die Opernsanierung einbringt, begründet Wecker so: „Am Ende zahlen unsere Mitglieder das über die Grundsteuer mit.“