Der Zustand der Bundesstraßen im Südwesten ist schlechter als der deutschlandweite Durchschnitt. Die FDP kritisiert dafür auch die Landesregierung. Doch die sieht sich in einer Aufholjagd.

Stuttgart/Berlin - In Baden-Württemberg ist ein Fünftel der Bundesstraßen marode – mehr als im deutschlandweiten Durchschnitt. Dies geht aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der Berliner FDP-Fraktion hervor. Auch viele Autobahnen haben bedenkliche Schlaglöcher: „20 Prozent der Bundesstraßen und mehr als acht Prozent der Autobahnen werden mit dem schlechtesten Substanzwert von über 4,5 versehen“, bilanziert der Karlsruher FDP-Bundestagsabgeordnete Christian Jung. Dies ist laut Ministerium „ein Zustand, bei dessen Erreichen die Einleitung von verkehrsrechtlichen oder baulichen Maßnahmen zur Erhaltung des Straßenabschnitts zeitnah geprüft werden muss (roter Bereich)“.

 

„Mir ist rätselhaft, warum die grün-schwarze Landesregierung und Landesverkehrsminister Winfried Hermann diesen problematischen Zustand nicht längst thematisiert und auch die zuständigen Bundestagsabgeordneten im Verkehrsausschuss alarmiert haben“, sagte Jung. Der jahrelange Investitionsstau im Infrastrukturbereich und die harte Sparpolitik beim Straßenbau würden nun an jedem einzelnen Schlagloch sichtbar. Die Vergleichswerte der Inspektionen – alle vier Jahre werden im Wechsel die Bundesstraßen und Bundesautobahnen bewertet – zeigen für den Liberalen, „dass wir es gerade so schaffen, den Status quo zu erhalten“.

Investitionskurve zeigt nach oben

Dabei hatte doch erst dieser Tage Landesverkehrsminister Winfried Hermann verkündet, die Sanierung der Bundesfern- und Landesstraßen laufe „auf Hochtouren“. Voraussichtlich würden dieses Jahr 370 Millionen Euro für Bundesstraßen und Autobahnen sowie 145 Millionen für den Erhalt von Landesstraßen investiert, erklärte der Grünen-Politiker vergangene Woche. In der Tat weist die Statistik-Kurve bei den Ausgaben des Landes für den Erhalt der Bundesfernstraßen seit 2011 steil nach oben. Lediglich für 2018 und 2019 ist sie wieder etwas rückläufig. Auch der Personaleinsatz in der Straßenbauverwaltung des Landes – die Behörden sind bis auf weiteres auch für die Bundesstraßen zuständig – hat zugenommen.

Doch gemessen an den mehr als 1000 Kilometer Autobahnen und über 4000 Kilometer Bundesstraßen im Südwesten reicht das nicht annähernd. Außerdem besteht ein erheblicher Nachholbedarf. „Die Erhaltung und Sanierung der Straßen wurden unter den früheren schwarz-gelb geführten Regierungen in Bund und Land über Jahre vernachlässigt“, sagte Hermann unserer Zeitung. „Wir haben nach dem Regierungswechsel 2011 auch einen Paradigmenwechsel eingeleitet mit der Vorgabe: Erhalt und Sanierung geht vor Neu- und Ausbau.“ Dem sei dann auch der Bund gefolgt. Seitdem werde im Land der Sanierungsstau konsequent abgebaut. Hermann: „Heute geben wir für den Straßenerhalt das Doppelte aus im Vergleich zu früheren Jahren.“ Soll heißen: Die Aufholjagd gelingt nicht in wenigen Jahren.

Immer mehr Verkehr

Die Schlaglöcher haben aber auch noch eine andere Ursache: Das Verkehrsaufkommen – vor allem beim Schwerverkehr – nimmt immer mehr zu. Diese Probleme haben im Übrigen auch die anderen Ländern. In Bayern zum Beispiel sind ausweislich der Antwort des Bundesverkehrsministeriums 15,6 Prozent der Autobahnen und 22,1 Prozent der Bundesstraßen in einem bedenklichen Zustand – also mit einem Substanzwert von 4,5 und schlechter. Der Bundesdurchschnitt beträgt 10,6 für Autobahnen und 17,7 bei Bundesstraßen. Das CSU-geführte Bayern schneidet also noch schlechter ab als das Grünen-geführte Baden-Württemberg.

Um die Fahrbahnen zumindest auf dem heutigen Stand zu erhalten, seien dieses Jahr allein für Deutschlands Autobahnen 1,46 Milliarden Euro notwendig, heißt es in der FDP-Antwort aus Berlin. Für die Bundesstraßen wurden 0,83 Milliarden prognostiziert. Doch Jung zufolge will die Bundesregierung im kommenden Jahr 403 Millionen Euro weniger in den Erhalt der Fahrbahnen im Bundesgebiet investieren: „Dies schadet auch Baden-Württemberg.“ Hier müsse Berlin dringend nachsteuern.