Fast 40.000 Kinder mit ausländischen Wurzeln in Baden-Württemberg besuchen muttersprachlichen Unterricht. Der Staat hat auf die Inhalte keinen Einfluss. Das lässt der AfD keine Ruhe.

Stuttgart - Der muttersprachliche Zusatzunterricht für Schüler mit ausländischen Wurzeln ist ein Zankapfel im Parlament. Die AfD will ihn ganz abschaffen. Ihr Fraktionsvorsitzender Bernd Gögel findet, er stehe im Widerspruch zur Landesverfassung und zum Grundgesetz. Mit dem Unterricht, den die Konsulate verantworten, werde Abgrenzung statt Integration bewirkt. Besonders stört sich die AfD am türkischen Konsulatsunterricht. Sie befürchtet „Infiltration“. Gögel kritisierte, der türkische Staat dürfe ohne Kontrolle „in unseren Schulen nach eigenen Lehrplänen unterrichten“.

 

Der Kultusstaatssekretär Volker Schebesta (CDU) betonte, es gehe längst nicht nur um türkischen Unterricht. 14 Konsulate bieten in Baden-Württemberg muttersprachlichen Unterricht: Bosnien-Herzegowina, Griechenland, Italien, das Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Polen, Portugal, Serbien, Slowenien, Spanien, Tunesien, Ungarn und die Türkei. Eine Streichung des Unterrichts würde der Situation nicht Rechnung tragen, sagte der Staatssekretär.

Interesse für muttersprachlichen Unterricht lässt nach

Das Interesse an dem Unterricht, der einst in den 1970er Jahren für Gastarbeiterkinder eingerichtet wurde, als man noch glaubte, die Familien würden in ihre Herkunftsländer zurückkehren, lässt jedoch nach. Derzeit nutzen rund 38 500 Kinder das Angebot, im Jahr 2011 waren es noch mehr als 54 000. Den Rückgang der Teilnehmer wertet etwa die CDU-Abgeordnete Sylvia Felder als ein positives Signal im Sinne der Integration.

Abschaffen will das muttersprachliche Angebot außer der AfD aber niemand. Differenzen in der grün-schwarzen Koalition gibt es aber dennoch. Die Grünen wollen, wie die SPD und die FDP, den muttersprachlichen Unterricht in staatliche Regie überführen, um ein besseres Auge auf die Inhalte zu haben. Timm Kern (FDP) sieht durchaus Probleme. „Die türkische Religionsbehörde darf den Unterricht nicht zur Propaganda nutzen“, sagte er im Landtag. Das sehen die anderen Fraktionen und das Kultusministerium ebenso. Dennoch ist die CDU gegen die Übernahme.

„Wir wollen nicht, dass ausländische Staaten über Curricula und Wertevermittlung in Baden-Württemberg entscheiden“, sagte Daniel Lede Abal (Grüne). Er spricht sich zudem für die Erweiterung des muttersprachlichen Angebots um weitere Sprachen wie Chinesisch oder Arabisch aus. Die SPD plädiert für einen Modellversuch mit herkunftssprachlichem Unterricht als Wahlfach an 90 Schulen.

Umstrukturierung würde 60 Millionen Euro kosten

Die CDU lehnt die Überführung in staatliche Zuständigkeit ab. 60 Millionen Euro würde das nach Angaben aus dem Kultusministerium kosten. Da setze man eher auf frühzeitige und intensive Sprachförderung und stärke beispielsweise den Deutschunterricht an Grundschulen, betonte Staatssekretär Schebesta.

Herkunftssprachlicher Unterricht verbessert nach Ansicht der Pädagogen die Sprachkompetenz. Er beschäftigt sich mit Sprache, Kultur und Landeskunde. Gebe es Anhaltspunkte, dass gegen diese Vorgaben verstoßen werde, gehe das Kultusministerium dem nach, versicherte Schebesta.