Auf dem Außengelände der Hemminger Schule steht nur noch ein Baum inmitten einer Betonwüste. Er soll jetzt verschwinden, weil er die Solaranlage auf dem Dach beschattet. Schüler und Lehrer wehren sich dagegen.

Hemmingen - Immer wenn moderne Technik Bäume verdrängt, kommt ein Begriff ins Spiel: Stuttgart 21. Vielleicht hat Hemmingens Bürgermeister Thomas Schäfer auch an den umstrittenen Tiefbahnhof gedacht, als ihn Eberhard Kammerer am Montagvormittag anrief. Der Leiter der Grund- und Werkrealschule in der Gemeinde wollte mit dem Bürgermeister über einen Baum auf dem Pausenhof der Bildungsstätte sprechen. Kurz zuvor hatte die Hemminger Verwaltung dem Rektor mitgeteilt, dass der Baum noch am Mittwoch verpflanzt werde. Er werfe zu viel Schatten auf die Solaranlage auf dem Dach der Schule. Bei Lehrern, Schülern und dem Elternbeirat stößt die Entscheidung aber auf Unverständnis.

 

„So hoch ist der Baum dann auch nicht, dass er die Solaranlage stört“, sagt der Schulsprecher Seyid Yilmaz. Für den Zehntklässler und einen großen Teil seiner Mitschüler ist der Ahornbaum auf dem Schulhof eine grüne Oase mitten in einer Betonwüste. Im Sommer kaufen sich Kinder und Jugendliche im Schülercafé Getränke oder auch etwas zu essen und setzen sich in seinen Schatten. Stören würde die Schüler somit eher, wenn er weg wäre.

Schüler müssen bald Teil des Pausenhofs an Kita abgeben

Die Schüler werden bald ohnehin einen großen Teil ihres Pausenhofs verlieren, wenn der Kindergarten in den westlichen Bereich der Schule einzieht. „Wenn dieser Baum jetzt auch noch gefällt wird, sieht es noch trostloser aus“, sagt der Rektor Eberhard Kammerer. Deshalb wehrt er sich, so gut er kann. „Mir geht es um diesen Baum, der ist mir wichtig“, sagt er. Die Lehrer und der Elternbeirat hätten ebenfalls signalisiert, dass sie den Schattenspender unbedingt erhalten wollen.

Hemmingens Bürgermeister Thomas Schäfer fühlt sich vom Widerstand der Schulgemeinde überfahren: „Mich ärgert das ein Stück, weil wir jetzt wieder in die Ecke gedrängt werden.“ Zum einen, weil die Solar GbR als Betreiber der Solaranlage die Versetzung veranlasst hat, zum anderen möchte die Gemeindeverwaltung den Baum retten und ihn nur vom Pausenhof in den Schlosspark umpflanzen. Ob der Ahorn einen Umzug mit seinen rund 30 Jahren überlebt, ist allerdings nicht sicher.

Über Versetzung des Baums wurde schon im Herbst gesprochen.

Was den Schultes zusätzlich aufregt: Über die Entscheidung, den Baum zu versetzen, ist im Gemeinderat schon während der Haushaltsberatungen im Herbst 2012 gesprochen worden. Der große Aufschrei käme aber erst jetzt. „Die Parkschützer lassen grüßen“, kommentiert Schäfer mit Blick auf den Protest am Stuttgarter Bahnhof, der ebenfalls verzögert eingesetzt hat.

Eberhard Kammerer stellt den Vorgang anders dar. Obwohl er als Freier Wähler Mitglied des Hemminger Gemeinderats ist, könne er sich nicht daran erinnern, dass über die Pläne gesprochen worden sei. Und als Schulleiter habe ihn die Gemeinde nie über den Beschluss informiert. Deshalb habe er den Bürgermeister erst am Montagvormittag angerufen.

Bürgermeister will vermitteln.

Nach dem Telefonat hat Schäfer die Versetzung des Baums auf Eis gelegt. Dass er den roten Ahorn in voller Pracht erhalten kann, glaubt er allerdings nicht. Er sieht sich an die Verträge zwischen der Kommune und der Solar GbR gebunden. Falls der Baum stehen bleibt, muss er laut Schäfer wahrscheinlich gestutzt werden. Sonst werfe er Schatten auf die Solaranlage. Entschieden wird die Sache aber erst, nachdem sich Vertreter der Schule und der Solar GbR getroffen haben. Sie sollen eine Lösung finden, mit der beide Seiten zufrieden sein können.