Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus wollte der Staatsanwaltschaft verbieten lassen, dem Land die Ermittlungsakten zum EnBW-Deal zu übermitteln. Doch das von ihm angerufene Amtsgericht sah dafür keinen Grund.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat vergeblich zu verhindern versucht, dass das Land Einsicht in die Ermittlungsakten zum EnBW-Deal erhält. Beim Amtsgericht Stuttgart hatte Mappus eine Entscheidung gegen die Absicht der Staatsanwaltschaft Stuttgart beantragt, die Akten zu dem eingestellten Verfahren dem Finanz- und Wirtschaftsministerium zu übermitteln. Das Gericht folgte ihm jedoch nicht, inzwischen wurde die Akteneinsicht daher gewährt. Das Land benötigt die Akten im Zusammenhang mit dem laufenden Schiedsgerichtsverfahren um den Rückkauf der EnBW-Anteile vom französischen Staatskonzern Électricité de France (EdF). Entsprechende Recherchen der Stuttgarter Zeitung bestätigten eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft und ein Sprecher von Minister Nils Schmid (SPD).

 

Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen gegen Mappus, die Ex-Minister Helmut Rau und Willi Stächele sowie den Banker Dirk Notheis (alle CDU) im vorigen Herbst eingestellt. Ihr Befund: Untreue oder Beihilfe dazu könne den Beschuldigten nicht nachgewiesen werden. Die drei Regierenden hätten zwar ihre Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Land verletzt, indem sie im Dezember 2010 den Aktienkaufvertrag unterschrieben, ohne die haushaltsrechtlichen Vorschriften zu beachten; diese hätten eine genaue Prüfung und Bewertung des Kaufgegenstandes verlangt. Ihnen könne aber kein Vorsatz bezüglich eines Vermögensschadens nachgewiesen werden, was für den Untreuevorwurf zwingend wäre. Auch für die billigende Inkaufnahme eines Schadens – Juristen sprechen von bedingtem Vorsatz – hätten sich „keine hinreichenden Erkenntnisse“ ergeben. Ob und in welcher Höhe dem Land ein Vermögensnachteil entstanden ist, ließen die Ermittler deshalb ausdrücklich offen.

Land will als „Verletzter“ Akteneinsicht

Über das Ergebnis der „umfangreichen Ermittlungen“ war die Öffentlichkeit lediglich in einer dreiseitigen Erklärung unterrichtet worden. Die dem Vernehmen nach 140-seitige Abschlussverfügung gab die Staatsanwaltschaft trotz mehrfacher Nachfragen nicht an interessierte Medien heraus. Begründung: Nur in Ausnahmefällen würden solche Verfügungen öffentlich gemacht. In Abwägung mit den „schutzwürdigen Belangen aller Beteiligten“ habe man entschieden, im Fall des EnBW-Deals keine Ausnahme zu machen. Diese Entscheidung hatte das Justizministerium von Rainer Stickelberger (SPD) als „vertretbar“ abgesegnet.

Das Land hatte nach Abschluss der Ermittlungen als „Verletzter“ Aktensicht beantragt. Hintergrund ist das laufende Verfahren gegen die EdF vor dem Schiedsgericht der internationalen Handelskammer, ICC. Die Regierung ist bekanntlich der Ansicht, Mappus habe rund 800 Millionen Euro zu viel für die EnBW-Anteile bezahlt; gestützt auf ein entsprechendes Gutachten will sie möglichst viel Geld von den Franzosen zurückholen. Bestätigt sieht sie sich durch ein weiteres Gutachten für die Staatsanwaltschaft, in dem der Bewertungsexperte Wolfgang Ballwieser zum gleichen Ergebnis kam. Wegen der vereinbarten Verschwiegenheit könne man keine weiteren Auskünfte dazu geben, sagte der Ministeriumssprecher. Über den Stand des seit 2012 laufenden Verfahrens beim Schiedsgericht ist nichts bekannt.

Amtsgericht entscheidet gegen Mappus

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wollte laut ihrer Sprecherin die Akteneinsicht gewähren. Dagegen habe sich Mappus gewehrt, indem er gemäß einer Klausel in der Strafprozessordnung eine Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgart beantragte; das Gericht habe jedoch entschieden, die Einsicht sei zu gewähren. Zu den Motiven und der Begründung des Ex-Ministerpräsidenten müsse man diesen selbst befragen, sagte ein Ministeriumssprecher. Mappus’ Anwälte reagierten jedoch nicht auf eine StZ-Anfrage. Sie hatten die Einstellung der Untreue-Ermittlungen als „großen Sieg des Rechtsstaats“ gelobt. Warum das Land nicht die genaue Begründung erfahren sollte, blieb daher unklar.

Bekannt wurde Mappus’ Vorgehen durch eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dieter Hillebrand zu den Kosten des Schiedsverfahrens. In der Antwort hatte das Finanz- und Wirtschaftsministerium im April mitgeteilt, die Einstellungsverfügung liege bisher nicht vor, da der Ex-Regierungschef „gegen die Übersendung rechtlich vorgegangen ist“; erst danach erfolgte die Entscheidung des Amtsgerichts. Die Akteneinsicht gelte nicht nur für die Abschlussverfügung, sondern stets für die gesamten Akten, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Die Kosten des Schiedsverfahrens bezifferte das Land auf bisher 4,5 Millionen Euro.