Der Grüne Boris Palmer lässt nicht locker: Ohne Alkoholverbote könne er dem Problem in Tübingen kaum Herr werden. Er fordert eine Änderung des Polizeigesetzes: Wer säuft und pöbelt, soll ein Platzverbot bekommen.

Tübingen. Für seinen Vorschlag hat Boris Palmer in den eigenen Reihen zum Teil heftige Prügel bezogen, vor allem von der Grünen Jugend. Tübingens OB will das Polizeigesetz ändern, um auffälligen Trinkern Aufenthaltsverbote zu verpassen.
Herr Oberbürgermeister, weht in Tübingen noch der Geist der Freiheit?
Tübingen ist ein Hort der Freiheit. Woher kommt Ihre Besorgnis?

Sie rufen in dieser an Restriktionen nicht armen Zeit nach Verboten, zum Beispiel nach Alkoholverboten.
Die Freiheit gehört niemandem allein. Freiheit bedeutet auch, eine Nacht durchschlafen zu können oder morgens beim Verlassen des Hauses nicht zwischen Exkrementen und Erbrochenem Slalom laufen zu müssen. Auch diese Freiheit ist schützenswert.

Wo in Tübingen finden sich denn solche Zustände?
Brennpunkte gibt es im Bereich einer Großraumdiskothek, aber auch am Busbahnhof und in Teilen der Altstadt.

Kann man solchen Belästigungen nicht eleganter Herr werden? Mit Prävention?
Nein, das tun wir schon. Trotzdem haben die Beschwerden aus der Bevölkerung drastisch zugenommen. Auch hat sich das Ausgehverhalten der jungen Leute sehr verändert.

Nämlich?
Es wird immer später, immer lauter und immer alkoholischer – und leider auch immer gewaltsamer. Wir haben darauf mit neuen Stellen für Streetworker und den kommunalen Ordnungsdienst reagiert. Die Mitarbeiter sind vier Nächte pro Woche im Einsatz. Das hat aber das Problem leider nicht gelöst.

Seitens der Kommunen wird seit Jahren schon die Forderung nach Alkoholverboten erhoben. Der Ministerpräsident und sein Innenminister sind zu der nötigen Gesetzesänderung bereit, nicht aber deren Parteien. Ohne landesgesetzliche Grundlage, das hat Freiburg gezeigt, geht es aber nicht.
Die auf einzelne Plätze oder Straßen begrenzten und auf die Wochenendnächte beschränkten Alkoholverbote sind die beste Antwort. Aber ich sehe ein, dass das politisch derzeit völlig aussichtslos ist.

Sie haben in Zusammenarbeit mit der Tübinger Polizei einen eigenen Vorschlag vorgelegt, der ebenfalls eine Änderung des Polizeigesetzes vorsieht. Wo ist der Unterschied?
In meiner Partei findet die Mehrheit, ein Bier auf dem Marktplatz sei ein Stück Freiheit. Das kann so bleiben. Ich schlage ein Verbot vor, dass nur Personen trifft, die sich bei der Polizei bereits einen Namen als hartnäckige Störer gemacht haben. Nur für diese Personen soll in den kritischen Nächten auf bestimmten Plätzen das Alkoholverbot gelten.

Das Polizeigesetz sieht bereits Aufenthaltsverbote für die Dauer von maximal drei Monaten vor, allerdings beschränkt auf die Gefahr, dass Straftaten begangen werden. Ordnungswidrigkeiten wie das Herumpöbeln unter Alkoholeinfluss reichen dafür nicht. So gesehen wäre ihr Vorschlag schon eine Gesetzesverschärfung.
Dafür zieht der neue Vorschlag nur dann, wenn die jeweiligen Personen Alkohol trinken. Wenn sie beim Sprudel bleiben, also im rauschfreien Zustand verharren, können sie gehen, wohin sie wollen.

Man muss, was die Grünen gemeinhin ja nicht so gern haben, eine Datei einrichten. Eine Trinkerdatei.
Das ist richtig, gilt aber natürlich auch für die bisherigen Aufenthaltsverbote. Das ist also nicht grundsätzlich neu. Auch sollte es nur gemeinsam mit der Ortspolizeibehörde zu solchen Aufenthaltsverboten kommen, was bedeutet, dass die Kontrolle faktisch beim örtlichen Rathaus und dem kommunalen Ordnungsdienst liegt. Gelegentlich bräuchten wir die Unterstützung der Polizei, aber das Hauptgeschäft könnten wir mit eigenen Mitteln bestreiten. Und ich wäre nicht mehr hilflos bei all den Beschwerden aus der Bevölkerung.

Ist Ihr Vorschlag überhaupt praktikabel?
Die Tübinger Polizei hält den Vorschlag zumindest für die Tübinger Verhältnisse für sehr geeignet. Für Landgemeinden ohne eigenen Ordnungsdienst taugt er nichts, weil dort die Polizei eine halbe Stunde braucht, bis sie vor Ort ist. Für die ganz harten Brennpunkte mit massiver Gewalt wie in Freiburg ist er womöglich zu schwach, weil es einfach zu viele Leute sind. Aber für unsere Verhältnisse mit einem Problemkreis von 70 oder 80 notorischen Störern wäre er sogar die beste Lösung.