Nürtingen kämpft noch immer um sein „NT“. Die Stadt übt jetzt den Schulterschluss mit Leidensgenossen aus anderen zu kurz gekommenen Landkreisen. An einem Runden Tisch werden Strategien ausgetüftelt.

Nürtingen - Der automobile Mensch braucht nicht viel zu seinem Glück. Wahlweise zwei oder drei Buchstaben, in dünnes Blech gestanzt, vorn und hinten ans dicke Blech geschraubt – das genügt. Allerdings müssen es die richtigen Buchstaben sein. Nicht BL für Balingen, sondern HCH für Hechingen, nicht BB für Böblingen, sondern LEO für Leonberg, nicht BIT für Bitburg, sondern PRÜ für Prüm. Stimmt die Kombination auf dem Autokennzeichen, dann strahlt der Mensch und streichelt versonnen das kleine oder das große Blech. Das hat der Heilbronner Hochschulprofessor Ralf Borchert gestern einem illustren Kreis im Kleinen Sitzungssaal des Nürtinger Rathauses in einer kleinen Diashow eindrucksvoll vor Augen geführt.

 

Das Strahlen der abgelichteten Wunschkennzeichenbesitzer will im Ratssaal so überhaupt keinen Widerhall finden. Die hier am Tisch sitzen ärgern sich. „Zum ersten Mal hätten wir im öffentlichen Bereich die Chance, mit dem Wunschkennzeichen alle glücklich zu machen, und wir dürfen nicht“, bringt Peter Rosenberger, der Oberbürgermeister von Horb, die Stimmung seiner Mitstreiter auf den Punkt. Auf Einladung des Nürtinger Oberbürgermeisters Otmar Heirich haben sich Rosenberger und die Entscheidungsträger aus den Rathäusern von Saulgau, Bruchsal, Crailsheim, Donaueschingen, Lahr, Öhringen und Vaihingen in Esslingen getroffen – zur Eröffnung des Runden Tisches „KFZ-Kennzeichen“.

Runde der zu kurz Gekommenen

Es ist eine Runde der zu kurz Gekommenen, oder, in Heirichs Worten, ein Stelldichein der vernachlässigten Landesteile. Sie verstehen nicht, weshalb ihr Begehr nach einem Wunschkennzeichen, das aus der Historie abgeleitet und meist von der Kreisreform in den 1970er Jahren geschluckt worden war, von nicht zuständigen Kreistagen ausgebremst werden soll. Sie wollen einfach nicht ES für Esslingen, sondern NT für Nürtingen durch die Straßen führen. Auch nicht SIG für Sigmaringen, sondern SG für Saulgau, nicht LB für Ludwigsburg, sondern VAI für Vaihingen und schon gar nicht FDS für Freudenstadt, sondern HOR für Horb. Sie berufen sich unisono auf den in verschiedenen Umfragen ermittelten Bürgerwillen und trauern der identitätsstiftenden und tourismusankurbelnden Wirkung der einprägsamen Buchstabenkombinationen nach.

Taube Ohren in Stuttgart

Bisher stoßen die kommunalen Kennzeichenliberalisierungskämpfer beim Landesverkehrsminister Winfried Hermann, der doch die Kultur des Zuhörens auf die grüne Parteifahne geschrieben hat, auf taube Ohren. Das soll sich nun ändern. „Wir haben uns getroffen, um gemeinsam Strategien und Möglichkeiten zu finden, um dem berechtigten Begehren der Bürger gerecht zu werden“, sagt Heirich.

Beim Fototermin, der auf Wunsch der NT-Lokalzeitung zwischen die Pressekonferenz und die nicht öffentliche Strategiesitzung eingeschoben wird, strahlen dann doch alle in die Kamera, genau wie die glücklichen Wunschkennzeichenbesitzer zuvor in des Professors Fotoshow. Alle dürfen sie ihr Wunschkennzeichen in das Objektiv des Fotografen recken. (Noch) ungültige Attrappen zwar, aber immerhin mit der richtigen Buchstabenreihung NT, VAI, SG, LR und so weiter. Am meisten strahlt Peter Rosenberger. Er hält ein Schild mit der „HOR-B“ in Händen. Mehr Glück geht nicht.