Ins Theater mit Hakenkreuz oder Davidstern: Die Inszenierungsidee hat den Konstanzer Intendanten in die Kritik gebracht. Doch jetzt steht plötzlich sein Widerpart, der Kulturbürgermeister unter Druck.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Konstanz - Vielleicht ist alles gar nicht so schlimm gewesen: Diese Schlussfolgerung legen die Zahlen einer Medienanalyse nahe, die der Konstanzer Kulturbürgermeister Andreas Osner (SPD) zur umstrittenen Aufführung des Theaterstücks „Mein Kampf“ hat anfertigen lassen. Demnach hat die Inszenierung des Regisseurs und Comedians Serdar Somuncu, der die Zuschauer im Theatersaal entweder ein Hakenkreuz oder einen Davidstern tragen lassen wollte, der Stadt am Bodensee einen handfesten Skandal, aber auch eine nie dagewesene Medienpräsenz beschert. 1199 Berichte seien allein im deutschsprachigen Raum erschienen. Die Stadt selbst komme nur in 13 Artikeln davon schlecht weg. Das entspricht etwa einem Prozent – damit dürfte sich leben lassen.

 

Osner hatte mit der Studie eines auf mediale Krisensituationen spezialisierten Instituts klären wollen, welcher öffentliche Schaden durch die Hakenkreuzidee entstanden ist. Und zumindest, was das Theater betrifft, wurden die Hamburger Forscher fündig. Demnach wurde das Haus mit der ältesten noch bespielten Bühne Deutschlands in jedem dritten Artikel zum Teil hart kritisiert. Lob gab es viel seltener, nämlich in jedem 20. Bericht. Freuen dürfte sich der Kulturbürgermeister über die Zeilen, in denen sein eigener Einsatz goutiert wird. Es sei „positiv zu vermerken, dass Bürgermeister Osner mit seinen immerhin 64 Mal zitierten öffentlichen Distanzierungen der Verantwortung der Stadt im Rahmen des Möglichen gerecht wurde“, heißt es in der 25 Seiten starken Analyse.

Studie ist „inhaltlich wertlos“

Trotzdem musste Osner im Kulturausschuss des Konstanzer Gemeinderat dies nun abhaken und zu Kreuze kriechen. Die Studie sei „politisch unnötig, finanziell nicht begründet und inhaltlich wertlos“, sagte der Stadtrat Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU). Provokation und Zuspitzung stehe dem Theater zu. „Es darf nicht so aussehen, als ob in Konstanz Kunst beaufsichtigt wird.“ Selbst Osners Parteifreunde distanzierten sich, vor allem weil der Kulturbürgermeister das rund 17 000 Euro teure Papier aus einem Überschuss des Sozialamts finanziert hatte. Sie sei auch allmählich genervt vom Streit zwischen Kulturbürgermeister und Theaterintendant, sagte die SPD-Rätin Zahide Sarikas.

Zerknirscht räumte Osner ein, dass es „aus heutiger Sicht“ ein Fehler gewesen sei, den Kulturausschuss nicht vor der Beauftragung der Studie zu konsultieren. „Nicht alles, was kommunalrechtlich zulässig ist“, sei auch „kommunalpolitisch sinnvoll“. Allerdings gab es durchaus Stimmen, die ihn gewarnt hatten. Die Kulturamtschefin riet ab (und gab auch kein Geld). „Aus meiner Sicht war das Thema medial durch“, erklärte der Chef der Pressestelle.

Jetzt steht der Intendant im Fokus

Derweil stichelt der Intendant zurück. Von einem Schaden könne schon deshalb keine Rede sein, weil es keine konkrete Schadensberechnung gebe, heißt es in einem Gegengutachten, das Christoph Nix flugs selbst erstellt hat. Schließlich ist der Theaterchef auch promovierter Jurist. Gerade mal eine Aboabbestellung habe es wegen der Inszenierung gegeben, dafür lauter ausverkaufte Vorstellungen. Denkbar sei aber, dass der Stadt durch das überflüssige Gutachten ein Vermögensschaden entstanden sei. Ein Theaterfreund verstand bereits diesen Wink mit dem Zaunpfahl. Man prüfe eine Anzeige gegen Osner, bestätigte die Konstanzer Staatsanwaltschaft. Der nächste Akt folgt.