Der Mann, der ankündigt haben soll, das Haus des Vorsitzenden des Vereins Sportkultur anzuzünden, ist identifiziert. Hasskommentare auf einem Online-Portal sind ebenfalls strafbar.

Ulrich Strobel, der Vorsitzende der Sportkultur, in der vor geraumer Zeit die Vereine in Hedelfingen, Rohracker und Wangen aufgegangen sind, hat schon angenehmere Wochenenden erlebt. Quasi stellvertretend für die Stadtverwaltung, die bis Ende nächsten Jahres auf einem Teil des Sportkulturgeländes an der Rohracker Straße fünf Modulbauten für insgesamt 76 Flüchtlinge erstellt, hat er am Samstag Frust, Ablehnung und Fremdenhass abbekommen. Und zwar mittels einer Online-Petition, aber auch – viel schlimmer – in Form dreier Anrufe von einem Mitbürger, der ihm angedroht haben soll, sein Haus sei das erste, das brenne, wenn tatsächlich die Gebäude für Flüchtlinge auf der (städtischen) Vereinswiese erstellt werden sollten.

 

Die Kripo klingelte an der Tür

In Hedelfingen droht man mit offenem Visier – also ohne Rufnummernunterdrückung – weshalb gleich am Folgetag die Kripo beim Tatverdächtigen an der Tür klingelte. Dass dieser sich umgehend telefonisch bei Strobels Frau entschuldigte, dürfte ihn nicht retten, denn der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen, die in der Regel in einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft münden. Die Bedrohung ist in § 241 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Sie wurde durch eine Gesetzesänderung erheblich erweitert. Neuerdings macht sich wegen Bedrohung strafbar, wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahe stehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat bedroht – oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert wie eben Strobels Haus. Es ist dabei auch grundsätzlich egal, ob eine Bedrohung ernst gemeint wird oder in die Tat umgesetzt werden soll oder kann. Entscheidend ist nur, dass die Drohung für eine Person objektiv ernst zu nehmend wirkt.

Runde Tische – aber erst im neuen Jahr

Wie konnte es so weit kommen, wo doch nach Aussage des Hedelfinger Bezirksvorstehers Kai Freier „nach Beschluss der Gemeinderatsvorlage die Bezirksverwaltung im neuen Jahr Informationsabende zu den geplanten Unterkünften organisieren und regelmäßige Runde Tische (unter anderem mit Sozialamt, AK Flüchtlinge, Polizei etc.) einrichten“ wolle? Die Antwort liefert er damit selbst: das Pferd wird von hinten aufgezäumt.

Am vergangenen Mittwoch hatte die Vorlage mit drei Standorten für 66 Modulbauten und 252 Plätzen in Hedelfingen und Plieningen das Licht der Welt erblickt. Die erste öffentliche Information findet aber erst am Dienstag im Bezirksbeirat statt. Am Montag hat die Stadt entschieden, Freier nicht allein ins Feuer zu schicken. Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann (Grüne) und der für die Liegenschaften zuständige Bürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) kommen auch.

Die Pläne sind drei Wochen alt

Dabei hätte die Stadtverwaltung genügend Zeit gehabt, mit dem Vorstand des Vereins, eine Informationsveranstaltung auf die Beine zu stellen. Bereits vor drei Wochen war sie mit ihrem Ansinnen bei der Sportkultur aufgeschlagen. Strobel führt zwar Verhandlungen, aber es geht nur um eine Kompensation. Die ins Auge gefasste Wiese ist in städtischem Besitz. Zwar fällt ein Beachvolleyballfeld weg, das stark genutzte Kleinspielfeld bleibt aber ebenso erhalten wie der Kinderspielplatz. Den Standort hat die Stadt schon im Jahr 2015 für Unterkünfte geprüft, aber nicht umgesetzt. Hinderungsgrund sei die Planung eines neuen Vereinsheims gewesen. Die ist vom Tisch. Die „Dürrbachklause“ gleich neben der Freifläche ist nicht der einzige Klotz am Bein. Durch die Fusionen befinden sich gleich sechs mehr oder weniger sanierungsbedürftige Clubhäuser im Anlagevermögen.

„Keine Flüchtlingsunterkünfte“ propagiert

Die Zeit seit der Veröffentlichung im Internet und der Berichterstattung in unserer Zeitung wurde genutzt, um Falschbehauptungen aufzustellen und Unwahrheiten über das Projekt zu verbreiten. Das geschah vor allem mittels einer Online-Petition mit der Überschrift „Sport, Spiel, Bewegung für unsere Kinder in Hedelfingen und Rohracker. Keine Flüchtlingsunterkünfte!“ Das Ziel schien offenbar, für die in der Nähe wohnenden Kinder den Sportplatz zu erhalten – der allerdings gar nicht zur Disposition steht.

Es folgten eine Vielzahl fremdenfeindlicher Kommentare, die die Petentin Anna Gallo nach 379 Stellungnahmen veranlasste, ihre Aktion zu stoppen, weil diese „ in die falsche Richtung gelaufen“ sei. Man unterstelle ihr Fremdenfeindlichkeit; rechte Gruppen hätten ihre Petition – in der sie gegen Flüchtlingsunterkünfte votiert – für ihre Zwecke gekapert.

Es stellt sich die Frage, warum die Plattform Openpetition.de nicht reagierte, obwohl „beleidigende, herabwürdigende und diskriminierende Petitionen beendet und gesperrt werden“. Dazu zählen Beleidigung, Herabwürdigung und Diskriminierung von Einzelpersonen oder Personengruppen wegen Geschlecht, Alter, Aussehen, Herkunft, sozialem Status, Religion, Behinderung, Familienstand oder sexueller Orientierung.

Petitions-Plattform nimmt Stellung

Die Pressesprecherin von Openpetition.de, Anna Frey, erklärte auf Anfrage, bei örtlichen Gegebenheiten kenne man die Sachlage nicht immer, dennoch werde jede Petition „mit der gleichen Sorgfalt auf Einhaltung der Bedingungen geprüft“. Die Kernforderung, einen Sportplatz zu erhalten sowie die Begründung seien legitim. Und die Hasskommentare? Seien strafbar und würden gelöscht, wenn sie gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstießen. Man gehe natürlich allen Hinweisen nach – die Anfrage unserer Zeitung sei allerdings der erste auf den Verstoß gewesen.