Der Superheldinnenfilm „Black Widow“ ist nicht nur im Kino gestartet, sondern auch beim Streamingdienst Disney+. Ist Scarlett Johansson so ein Vermögen entgangen?
Stuttgart - Als furchtlose und kampfstarke Rächer hat Hollywood seine Superhelden weltweit vermarktet. Nun lässt es eine Heldin nicht vor, sondern hinter der Kamera krachen: Scarlett Johansson, Star des aktuellen Blockbusters „Black Widow“, zieht den Disney-Konzern vor Gericht. Es geht um Millionen Dollar und den Machtkampf zwischen Streamingdiensten und Lichtspielhäusern.
Disney hat „Black Widow“ nicht nur in die Kinos gebracht. Das Studio bot den Blockbuster sofort gegen Extrazahlung auch auf dem konzerneigenen Streamingdienst Disney+ an. Die Kinos klagen über entgangene Kartenverkäufe, und die Branche ist sich uneins, wie die Zahlen zu interpretieren sind. Seit dem 9. Juli hat „Black Widow“ im Kino rund 320 Millionen Dollar eingespielt, bei Disney+ mehr als 60 Millionen Dollar. Das ist der beste Kinostart seit Pandemiebeginn, aber für einen Film aus dem Marvel-Superhelden-Universum eher kläglich. Ist die Doppelauswertung also ein guter Schachzug im Umgang mit Pandemieeinschränkungen? Oder ist da ein neues Geschäftsmodell krachend gescheitert?
Andere zahlten Ausgleich
In dieser Debatte macht Johansson eine neue Front auf. Sie soll zwar rund 20 Millionen Dollar Gage bekommen haben. Aber ihr Vertrag mit der Disney-Tochter Marvel sieht die anfänglich exklusive Kinoauswertung vor und ansehnliche Bonuszahlungen beim Erreichen bestimmter Einspielzahlen. Die Anwälte der Schauspielerin interpretieren den Start bei Disney+ beinhart: Corona sei nur ein Vorwand gewesen, ihre Klientin um viel Geld zu prellen. Von 50 Millionen Dollar ist die Rede.
Diese Deutung einer gigantischen Umwälzung bei der Filmvermarktung mag man für zweckgebunden abstrus halten. Aber wenn Disney sich tatsächlich über eine gültige Vertragsklausel hinweggesetzt haben sollte, hat der Konzern nun ein Problem. Auch andere große Studios haben Kinofilme direkt an Streamingdienste gegeben, gingen aber vorsichtiger mit den Verträgen um. Warner hat den Stars einen Ausgleich für entgangene Boni gezahlt: insgesamt 200 Millionen Dollar.
Hoffnungen und Risiken
Kinobetreiber und nostalgische Cineasten mögen zwar hoffen, Scarlett Johanssons Klage werde die Uhr zurückdrehen und die Studios spätestens nach Ende der Pandemie dazu bringen, zum System ungestörter Kinoauswertung zurückzukehren. Zwei andere Ergebnisse wären allerdings denkbar. Die Studios könnten zusammenhalten und Boni-Klauseln für Stars gar nicht mehr akzeptieren. Oder, das ist sehr viel wahrscheinlicher, sie könnten sich mit den Agenturen der Stars auf Bonusmodelle für Streamingstarts einigen. Die wären weniger lukrativ. Aber dann hätte sich das Argument durchgesetzt, Kino sterbe sowieso, man müsse jetzt den Wandel gestalten.