Streit um Bürokratieabbau Ministerin: FDP fordert „offenen Rechtsbruch“

Absage an die FDP: CDU-Ministerin Hoffmeister-Kraut Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich

Das Land solle bürokratische Vorgaben einfach ignorieren, verlangen die Liberalen im Landtag. Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut (CDU) reagiert darauf überdeutlich.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Die Forderung der Landtags-FDP, das Land solle im Kampf gegen die Bürokratie gesetzlich verankerte Statistikpflichten für kleine Unternehmen eigenmächtig aussetzen, stößt bei Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) auf scharfen Widerspruch. Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und seine Kollegen hatten eine solche Anweisung an das Statistische Landesamt als „Akt der demokratischen Notwehr“ verlangt, um einen „Bürokratiekollaps“ zu vermeiden. Firmen mit weniger als zwanzig Beschäftigten sollten so lange von den vorgeschriebenen Erhebungen verschont bleiben, bis über eine geforderte Bundesratsinitiative Baden-Württembergs entschieden sei. „Entsprechendes Handeln wäre verfassungswidrig“, schreibt die Ministerin nun in aller Deutlichkeit in der Antwort auf eine Anfrage der Fraktion. Die Landesregierung sei nach dem Grundgesetz an Recht und Gesetz gebunden. „,Demokratische Notwehr‘ ist kein Rechtfertigungsgrund für offenen Rechtsbruch“, fügt sie hinzu.

 

Fraktionschef Rülke und der Abgeordnete Erik Schweickert als Mittelstandsexperte hatten ihre Forderung unlängst auch in einem Schreiben an Handwerksbetriebe im Südwesten erhoben. Darin beklagten sie, dass die Firmen mit „kleinteiligen Berichtspflichten und umfangreiche Dokumentationen“ kämpften. Um ihnen wieder Luft zum Atmen zu verschaffen, seien „drastische Maßnahmen“ nötig. Die Antwort von Hoffmeister-Kraut zeigt für Rülke, dass die Regierung „den Ernst der Lage nicht verstanden“ habe. Die Maßnahmen, für die sich die Ministerin lobe, hätten der Wirtschaft kaum Entlastung verschafft. Notwendig sei ein „Paradigmenwechsel“ beim Bürokratieabbau – „weg vom Klein-Klein, hin zu pauschalen Befreiungen, großflächigen Gesetzesabschaffungen und mutigen Verwaltungsreformen“.

Ministerin: schon 350 Regeln gestrichen

Die Wirtschaftsministerin hatte zum einen darauf verwiesen, dass das Gros der Statistik-Auflagen auf Regeln des Bundes und der Europäischen Union zurückgingen. Zugleich verteidigte sie die Notwendigkeit von Erhebungen, die als „Grundlage für evidenzbasierte politische Entscheidungen“ dienten; damit seien sie „zu einem gewissen Grad für effizientes staatliches Handeln unverzichtbar“. Zudem seien die Statistikpflichten „nur begrenzt“ für den Verwaltungsaufwand kleiner Unternehmen verantwortlich. Zugleich betonte die Ressortchefin die Erfolge der 2023 vom Land gestarteten „Entlastungsallianz“: dadurch seien schon mehr als 350 bürokratische Regeln abgebaut worden. Man beabsichtige weiterhin Pflichten dort abzuschaffen, „wo der Aufwand im Missverhältnis zum Mehrwert steht“.

Der Baden-Württembergische Handwerkstag wollte sich nicht zu der Frage äußern, ob die von der FDP geforderte Anweisung an das Statistische Landesamt ein Rechtsbruch wäre. „Inwiefern hier der Begriff der ,Notwehr‘ angebracht sein könnte, obliegt uns nicht einzuschätzen“, teilte eine Sprecherin mit. Klar sei aber, „dass jedwedes Recht jenseits der unveräußerlichen eines ist, das nach gesellschaftlicher Diskussion politisch beschlossen wurde – und somit jederzeit erneut diskutiert und verändert werden kann“. Beim Bürokratieabbau gelte es „massiver denn je in Frage zu stellen, ob alle Regeln so noch sinnvoll, vernünftig, hilfreich und haltbar sind“, so die Sprecherin.

„Nicht nur Profilierung im Wahlkampf“

Vom Handwerk werde die Belastung durch die Bürokratie schon lange beklagt. Sie sei ein Mitgrund für die „spürbar nachlassende Motivation, Unternehmer zu sein oder als Gründer bzw. Betriebsnachfolger Unternehmer zu werden“. Man wünsche sich, dass der Bürokratieabbau „von allen politischen Entscheidern als grundlegende Pflicht betrachtet“ werde. Er solle „mehr als ein Profilierungsversprechen im Wahlkampf und gar kein Zankapfel zwischen Parteien sein“.

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