Was ist der Finsterroter See schon gelobt worden. Als einer der idyllischsten Seen im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald hat man ihn gepriesen. Doch das Idyll ist perdu. Die Gemeinde hat ein Badeverbot erlassen – und wird jetzt verklagt.

Wüstenrot - Der schwarze Schwan schwimmt auf der Stelle. Der Plastikvogel wacht über den Finsterroter See. Schwarze Schwäne sind hierzulande nicht beheimatet. Und was der Kormoran nicht kennt, das jagt ihm solche Angst ein, dass er sich lieber davon fern hält – und damit auch von den Fischbeständen im See. „Kaum zu glauben“, sagt Helga Lang. Sie und ihre Schwester sind die Besitzer des ehemaligen Mühlsees. „Aber es funktioniert.“ So einfach sind ihre anderen Probleme mit ihrem idyllisch gelegenen See im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald nicht zu lösen. Denn die Gemeinde Wüstenrot (Kreis Heilbronn) hat den Finsterroter See als Badegewässer abgemeldet, weil die Wasserqualität als mangelhaft eingestuft worden war. „Das ist eine Tragödie“, sagt ein Beobachter, der ungenannt bleiben will.

 

Dabei ist die gemeindeeigene Kläranlage, davon sind Helga Lang und ihre Schwester Christa Lang-Kemppel überzeugt, die Hauptverursacherin der Probleme. Seit Jahren fordern die Nachkommen des letzten Finsterroter Müllers die Kommune auf, dafür zu sorgen, dass der 460 Jahre alte See nicht bei jedem Starkregen mit dem Überlauf aus der Kläranlage verschmutzt wird. Die Frauen haben nun genug. Jetzt sollen es Richter richten. Die beiden Schwestern haben gegen die Gemeinde am Heilbronner Landgericht Klage eingereicht, am 12. September kommt es zum Prozess.

Nach Starkregen sind die Messwerte schlecht

Seit 2013 war die Wasserqualität des Finsterroter Sees von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) jedes Jahr mit mangelhaft bewertet worden, weil dort massenweise Cyanobakterien auftreten könnten, so die Warnung. Diese Blaualgen entziehen beim Absterben dem Gewässer den Sauerstoff und können die Haut, die Augen oder die Schleimhäute reizen. Blaualgen gedeihen besonders in phosphatreichem Wasser. Und die Phosphatbelastung, davon ist Lang überzeugt, hat der See der Kläranlage zu verdanken. Gemessen worden sei außerdem immer dann, wenn es ungünstig gewesen sei, sagt Helga Lang: nach Starkregen, wenn die Kläranlage überlastet und die Abwasser ungeklärt in den Dachsbach geflossen seien, der den See speist.

Schon im vorigen Jahr hatte die Gemeinde Badeverbotsschilder aufgestellt, ohne mit den Eigentümerinnen zu sprechen. Dass die Kommune im vergangenen April den See dann ohne Rücksprache aus der EU-Badegewässerliste hat streichen lassen, hat für die Schwestern das Fass zum Überlaufen gebracht. „Wir haben keine andere Wahl mehr“, sagt Helga Lang.

Früher war der See der Dorfmittelpunkt

Die Geschäftsfrau, die in Bayern eine eigene Parfümeriekette aufgebaut und vor einigen Jahren an Douglas verkauft hat, ist praktisch an dem See aufgewachsen. Ihre Eltern haben ein Kiosk errichtet und einen Campingplatz. Für viele aus der Gegend ist der See Teil der Kindheit und Jugend; im Sommer war er der Dorfmittelpunkt. Der hiesige SPD-Landtagsabgeordnete und Ex-Minister Reinhold Gall etwa hat am Ufer des Waldsees seine erste große Liebe erlebt. Das Kiosk ist längst vermietet, die Pacht reiche gerade, um die laufenden Kosten zu decken, sagt Helga Lang.

Ein Minusgeschäft ist der See dennoch. Mehr als eine halbe Million Euro haben die Schwestern nach eigenen Angaben in den vergangenen zehn Jahren investiert. 2007 mussten sie auf Druck der Behörden einen neuen Staudamm errichten, weil der alte, so die Befürchtung, einem Hochwasser nicht mehr standhalten würde. Mehr als 200 000 Euro kostete allein dies die Schwestern. Als die Tourismusgemeinschaft Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald den Dachsi-Pfad einweihte, der direkt am See endet, bauten die Schwestern neue Toilettenanlagen. Der Spielplatz ist neu und hübsch, ein flacher Seezugang wurde angelegt, das Kiosk hat mittlerweile drei malerische Seeterrassen. „Wir wollen nicht die Generation sein, die den See nicht mehr halten kann“, sagt Helga Lang.

Wüstenrot kann eine Attraktion durchaus gebrauchen

Für ihr finanzielles Engagement sind die Lang-Schwestern bei den jeweiligen Einweihungsfeiern viel gelobt worden, das kann man nachlesen. Der Weiher selbst wurde und wird als einer der idyllischsten Seen im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald gepriesen. Und Wüstenrot, das muss man sagen, kann ein attraktives Idyll durchaus gebrauchen. Die Gemeinde ist strukturschwach und verliert unablässig an Bevölkerung. Ende 2016 lebten dort noch 6758 Menschen, nur ein Jahr zuvor waren es 6837 gewesen. Die Liste der Gewerbebetriebe ist übersichtlich. Es gibt eine Sargfabrik. Die Bausparkasse Wüstenrot wurde zwar im Jahr 1921 in Wüstenrot gegründet, zog aber schon neun Jahre später ins größere Ludwigsburg.

Das Problem ist nicht mit einem Gutachten zu lösen

Auch die Gemeinde hat in der Vergangenheit investiert und die Kläranlage für 75 000 Euro mit einem Zusatzfilter und für mehr als 300 000 Euro mit einem Pufferspeicher ausgestattet. Die Protokolle der Gesprächsrunden mit den Besitzerinnen, die Gutachten und Gegengutachten füllen ganze Aktenordner. Im Zuge des Dammbaus, als der See abgelassen war, haben die Lang-Schwestern nämlich auch gleich den See entschlammt. Manche halten das für das Problem, weil dadurch die Sedimente aufgewühlt worden seien. Auch die Landwirtschaft soll mitverantwortlich sein für die Probleme.

„Es ist nicht so einfach, dass das nur mit einem Gutachten lösbar wäre“, sagt Heinz Nägele, der ehemalige Wüstenroter Bürgermeister. „Ich bedaure, dass es jetzt zur Klage kommt.“ In vielen, vielen Gesprächen hat er, der die Lang-Schwestern mit ihrer direkten Art von Kindesbeinen an kennt, versucht, genau das zu vermeiden.

Inzwischen herrscht das Schweigen im Walde

Jetzt herrscht Schweigen. Das Tischtuch zwischen Timo Wolf, Nägeles Nachfolger seit 2014, und den Lang-Schwestern scheint zerschnitten. Die Zusammenarbeit zwischen Betreiber und Gemeinde sei verbesserungsbedürftig, heißt es schon in einem Protokoll vom Mai 2016, das eine von vielen Vermittlungsrunden dokumentiert. Gegenüber den Medien haben der Schultes und Gemeinderäte ein Stillhalteabkommen geschlossen. Man verweist auf das laufende Verfahren. Auch der Finsterroter Ortsvorsteher hält sich an das Schweigegelübde. Der SPD-Gemeinderat Rolf Kübler sagt nur, was er schon in der öffentlichen Sitzung gesagt hat: „Es ist gut, dass geklärt wird, wer verantwortlich ist. Der muss sich dann eben darum kümmern.“