Angela Merkel und Horst Seehofer liegen in der Flüchtlingsfrage über Kreuz. CDU und CSU beraten in getrennten Sitzungen über das weitere Vorgehen – eine weitere Eskalation ist nicht ausgeschlossen.

Berlin - Am Donnerstagmorgen werden alle Termine abgesagt: CSU-Mann Andreas Scheuer wollte als Verkehrsminister eine Ladung Journalisten zum Fahrsicherheitstraining mitnehmen und entschuldigt sich wortreich für die Absage, weil sein Parteichef per SMS zur spontanen Krisensitzung gerufen hat. Der CDU-Mann Peter Beyer, Koordinator für die transatlantischen Beziehungen im Auswärtigen Amt, hört aus dem Kanzleramt, dass sein Vormittagstermin mit Angela Merkel kurzfristig ausfällt, da sie zu eine kurzfristig anberaumte Telefonschalte des CDU-Präsidiums leiten muss. Alles abgesagt. Die Regierungskoalition, allen voran die beiden Unionsparteien, befinden sich im Krisenmodus.

 

Am Vorabend haben Angela Merkel und Horst Seehofer, assistiert von den wahlkämpfenden Ministerpräsidenten Volker Bouffier aus Hessen und Markus Söder aus Bayern, den Versuch unternommen, ihren fundamentalen Asylstreit zu lösen: In der Sache will die Kanzlerin beim EU-Gipfel in zwei Wochen eine Grundsatzeinigung über ein neues europäisches Asylsystem herbeiführen, während Innenminister Seehofer nicht mehr an eine EU-weite Lösung zu glauben scheint und einen nationalen Alleingang bei Zurückweisungen an der Grenze, die seit 2015 nicht mehr nach den eigentlich geltenden Dublin-Regeln funktionieren.

Spahn unterstützt Merkel im Präsidium nicht

Seehofer soll Merkel ein wenig mehr Zeit angeboten, dafür jedoch einen „Automatismus“ verlangt haben, dass bei einem Scheitern des EU-Gipfels sofort sein „Masterplan“ greift. Die Kanzlerin wiederum soll zugesagt haben, am Rande des Brüsseler Treffens Ende Juni jene hauptbetroffenen Staaten zusammen zu rufen, um mit ihnen bilaterale Zurückweisungsabkommen abzuschließen, die jedoch innerhalb des europäischen Rechts stattfinden sollen.

Die große Frage am Donnerstag ist, ob das reicht, um die Sollbruchstelle in der Union wieder zu kitten. Wie groß die Nervosität ist, zeigt zum Beispiel, dass das CDU-Präsidium Merkel unterstützt – allerdings nicht einstimmig. Ihr interner Widersacher, Gesundheitsminister Jens Spahn, votiert nicht mit Ja. Und vor der Unionsfraktionssitzung, die ungewöhnlicherweise getrennt nach CDU und CSU stattfindet, stehen die Zeichen auf Krise – obwohl es angeblich nur um eine Information über die Präsidiumssitzung geht.

„Das hat sich alles so verhakt“

„Die Hütte brennt“, sagt ein CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Südwesten: „Wenn das so weiter eskaliert, sehe ich schwarz.“ Ein CSU-Mann fordert für Freitag eine Fraktionsabstimmung über den Kurs, was entweder Merkel oder Seehofer öffentlich eine Niederlage zufügen würde. Ob Merkel das überstehen könnte? „Das hat sich alles so verhakt“, sagt ein weiterer Baden-Württemberger, „dass ich nicht ausschließen kann, dass die Koalition heute noch platzt.“