Berlin will sich im Streit um sein Islam-Institut nicht von konservativen Religionsverbänden unter Druck setzen und blockieren lassen.

Berlin - In Berlin eskaliert der Streit um die Gründung eines Islam-Instituts an der renommierten Humboldt-Universität: Das Land hat jetzt klar gemacht, dass es sich in dem Fall nicht von den großen konservativen Islamverbänden unter Druck setzen lassen wird. „Für mich sind die Verhandlungen über den Kooperationsvertrag abgeschlossen. Für die Humboldt-Universität und den Senat ist klar, dass das Institut in jedem Fall kommen soll“, sagte der Staatssekretär für Wissenschaft, Steffen Krach, am Donnerstag unserer Zeitung.

 

In dem künftigen Institut für Islamische Theologie sollen unter anderem Religionslehrer und Imame für Berliner Moscheen ausgebildet werden. In der Debatte um Integration fordern viele Experten seit langem eine solche Ausbildung nach universitären Kriterien, anstelle der Entsendung von Geistlichen aus islamischen Ländern.

Große Islamverbände blockieren Vertrag

Der Streit entzündet sich nun am Beirat für das Institut, in dem die großen Verbände sitzen sollen – und in dem sie offenkundig mehr Mitbestimmung fordern als im Vertrag vorgesehen. Vier von fünf der konservativen Organisationen haben bis Ablauf einer letzten Frist Anfang der Woche den Vertrag für den Beirat nicht unterschrieben: Es handelt sich um die wegen ihrer Abhängigkeit von der türkischen Regierung umstrittene türkisch-islamische Union (Ditib), die in der Stadt die meisten Moscheen betreibt, um den Zentralrat der Muslime, die Islamische Föderation, die laut Verfassungsschutz der islamistischen Milli Görüs nahesteht, und den Verband der Islamischen Kulturzentren. Unterzeichnet hat als einzige die Islamische Gemeinschaft der Schiitischen Gemeinden Deutschlands. Eine Begründung liegt nach Angaben der Universität von keinem der Verbände vor.

Der Beirat stimmt zum Beispiel der Berufung von Professoren zu und kann sie auch verhindern. Der Vertrag sieht ein solches Veto nur mit Zweidrittelmehrheit vor. Da neben den Verbandsvertretern weitere vier Hochschullehrer in dem Beirat sitzen, bräuchten die Verbände für eine Mehrheit mindestens noch die Stimme eines freien Wissenschaftlers. Offensichtlich wünschen sie jedoch mehr Macht mittels einer Sperrminorität. Auch dass der Senat und nicht die Verbände die einzelnen Mitglieder beruft, schien auf Kritik zu stoßen.

„Das können wir nicht mit uns machen lassen“

Der Gründungsdirektor des Instituts, Michael Borgolte, kritisierte die Verbände heftig und zeichnete ein desolates Bild von den Verhandlungen. Die Verbände seien „nicht wirklich politikfähig“, sagt Borgolte der „Berliner Zeitung“. Es habe in den Verhandlungen keine regulären Delegierten gegeben, sondern wechselnde, nicht eingearbeitete Vertreter. Es sei unklar, wie die Entscheidungen in den Verbänden zustande kämen. Ein Jahr sei über eine fünfseitige Kooperationsvereinbarung mit neun Paragraphen verhandelt worden – und jetzt werde das Papier abgelehnt. Besonders die Ditib kritisierte Borgolte: Sie beanspruche „so etwas wie die Hauptvertretung des Islam in Deutschland. Das können wir aber nicht mit uns machen lassen“.

Über die generelle Notwendigkeit eines Beirats gibt es keinen Dissens – das Gremium ist eine Empfehlung des Wissenschaftsrats, es existiert auch an anderen Universitäten mit einem Lehrstuhl für Islamische Theologie und ist ebenfalls bei katholischen oder evangelischen Lehrstühlen üblich. Anders als bei den christlichen Kirchen existiert aber kein zentraler muslimischer Ansprechpartner.

Ein Krisengespräch im Roten Rathaus

Für kommende Woche ist nun ein Krisengespräch im Roten Rathaus mit allen Beteiligten geplant – allerdings machen bereits im Vorfeld sowohl die Universität als auch der Berliner Senat klar, dass sie zu keinen Nachverhandlungen bereit sind. Zwar sei er daran interessiert, von den Verbänden die Gründe für ihre Schwierigkeiten zu hören, sagte der Wissenschaftsstaatssekretär. „Für den Fall, dass diese Bedenken nicht auszuräumen sind, werden wir uns mit der HU-Präsidentin darüber beraten, welche anderen Verbände oder Einzelpersonen für eine Mitgliedschaft im Beirat angesprochen werden können.“ Im Klartext bedeutet dies wohl, dass moderatere Verbände oder auch Vertreter eines modernen Islam angesprochen werden. Ähnlich äußerte sich auch die Universitätspräsidentin Sabine Kunst. Maßgebend sei die Freiheit der Wissenschaft, die durch den Vertrag mit den Verbänden abgesichert werde.

Eine Umgehung der großen Verbände ist allerdings nicht unproblematisch, wenn man mit der Imamausbildung eines der zentralen Ziele des Instituts im Auge hat – denn sitzen die Repräsentanten der großen Moscheegemeinden nicht mit im Boot, werden sie vermutlich weiterhin Imame aus dem Ausland den in Deutschland akademisch ausgebildeten Geistlichen vorziehen. Allerdings haben auch die Verbände ein hohes Interesse beteiligt zu werden.