Sie hatten sich schon zwei Monate nach der Geburt ihres Kindes um einen städtischen Kitalatz in Stuttgart bemüht. Erfolglos. Jetzt wollen sich die Eltern die Kosten für die private Betreuung von der Stadt erstatten lassen. Das Gericht gibt ihnen Recht.

Stuttgart - Ein Urteil mit Folgen: die Stadt Stuttgart muss Eltern die Mehrkosten für die Unterbringung ihres Kindes in einer privaten Krippe erstatten. Mit diesem am Freitag ergangenen Urteil gab das Verwaltungsgericht Stuttgart den Eltern eines zweijährigen Jungen Recht und verpflichtete die Stadt dazu, der Familie 5620 Euro plus Zinsen zu erstatten. Dazu kommen weitere Mehrkosten bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, falls die Stadt ihm bis dahin keinen städtischen Kitaplatz anbietet. Das Urteil könnte Signalwirkung haben. Erstmals in Baden-Württemberg hat sich ein Verwaltungsgericht in einer Hauptverhandlung mit den Folgen des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige beschäftigt. Die unterlegene Stadt prüft nun, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

 

Die Eltern bekamen nur Absagen

Die Eltern des jetzt Zweijährigen, die beide voll berufstätig sind, hatten sich bereits zwei Monate nach der Geburt ihres Kindes um einen Krippenplatz mit einer täglichen Betreuungszeit von achteinhalb Stunden bemüht. Doch sowohl bei der Stadt als auch bei Tagesstätten anderer Träger erhielten sie nur Absagen. Daraufhin machten sie bei der Stadt den Rechtsanspruch geltend. Diesen hat der Bundesgesetzgeber für ein- und zweijährige Kleinkinder festgeschrieben, sofern Bedarf besteht. Er greift seit dem 1. August 2013.

Die Stadt wies den Antrag der Eltern zurück, worauf diese beim Verwaltungsgericht zunächst den Betreuungsplatz einklagen wollten. Später reichten sie eine zweite Klage nach, mittels der sie die Mehrkosten geltend machten, die durch die Unterbringung in einer teureren privaten Krippe entstanden sind, die der Junge seit August 2013 besucht.

Die Richterin übr Kritik an der Stadt

Die siebte Kammer des Verwaltungsgerichts folgte dem Antrag der Kläger auf Erstattung der Mehrkosten in vollem Umfang. Die Klage auf einen Platz wurde im Einvernehmen von Klägern und der beklagten Stadt eingestellt, die Verfahrenskosten dafür trägt zu zwei Dritteln die Stadt, zu einem Drittel der Kläger.

Bei der Urteilsverkündung betonte die Vorsitzende Richterin der siebten Kammer, Sylvia Thoren-Proske, die Kläger hätten als Leistungsberechtigte der öffentlichen Jugendhilfe alle Voraussetzungen für einen Ersatz der Aufwendungen erfüllt. Die Entscheidung ergehe in Übereinstimmung mit dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 2013 (5 C 35.12). Die Vorsitzende äußerte Zweifel, dass die Stadt ihrer Gesamtverantwortung für die Einlösung jedes individuellen Rechtsanspruchs gerecht wird.

Derzeit sind beim Verwaltungsgericht Stuttgart 23 Verfahren offen: in 13 von ihnen geht es um Kostenerstattung, acht Kläger machen den Anspruch auf einen Krippenplatz geltend. Zwei Kläger wollen einen Platz und falls sie den nicht bekommen, einen Kostenausgleich. In Stuttgart fehlen derzeit insgesamt 3422 Krippenplätze.