Nach den Frauen von Allianz MTV Stuttgart fühlen sich auch die Männer der United Volleys Frankfurt aus der Champions League ausgebootet – und üben heftige Kritik an den Liga-Verantwortlichen.

Stuttgart - Die Folgen der Corona-Pandemie, das ist sicher, werden den Sport noch lange beschäftigen. Folglich wäre spätestens jetzt der richtige Zeitpunkt, um in den Bundesligen zu kooperieren, sich zu helfen, den Schulterschluss zu üben. Gemeinsam aus der Krise? Hört sich gut, entspricht aber nicht der Realität – zumindest im Volleyball.

 

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Erst fühlten sich die Frauen von Allianz MTV Stuttgart bei der Vergabe der Champions-League-Plätze unfair behandelt: der SSC Schwerin erhielt von der Volleyball-Bundesliga (VBL) das Ticket in die Gruppenphase, der Meister von 2019 muss in die Qualifikation. Und nun hat es die Männer der United Volleys Frankfurt noch härter getroffen: Ihnen wird, obwohl sie Mitte März, als die Bundesliga-Hauptrunde zwei Spieltage vor dem Ende abgebrochen wurde, Zweiter waren, die Teilnahme an der Königsklasse verwehrt. Der Frust darüber sitzt tief. „Diese Entscheidung ist absolut unverständlich und schädlich für den deutschen Volleyball. Europapokal-Plätze sind doch keine Erbhöfe“, schimpft United-Gründer und -Geschäftsführer Jörg Krick, „wenn andere Nationen demnächst an uns vorbeiziehen, können sie sich kaputtlachen.“

Ein Platz bleibt unbesetzt

Was passiert ist? Der VBL standen (anders als bei den Frauen) zwei Plätze in der Gruppenphase der Königsklasse zur Verfügung. Diese vergab der Vorstand an Abonnementmeister Berlin Recycling Volleys und den VfB Friedrichshafen, der bei Abbruch der Saison auf Rang drei gelegen hatte. Entschieden wurde (wie bei den Frauen) auf Grundlage eines Rechenmodells, das die nationalen Ergebnisse der vergangenen drei Jahre berücksichtigt. In dieser Wertung lag der VfB vor Frankfurt. Zugleich bemühte sich die VBL, beim europäischen Verband (CEV) einen weiteren Startplatz in der Qualifikation zu bekommen. Das gelang, hatte aber einen Haken: Die CEV erlaubt die Teilnahme nur Vereinen, die in den vergangenen drei Jahren zweimal in der Champions League gespielt haben. Der VfB erfüllt dieses Kriterium, die United Volleys aber nicht.

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Nun stand die VBL vor einem Problem: Am Beschluss festzuhalten, würde bedeuten, einen der internationalen Startplätze zu verlieren und die Frankfurter zu verprellen. Den Beschluss zu ändern, hätte Protest aus Friedrichshafen provoziert. „Ich habe Verständnis für die Enttäuschung der United Volleys“, sagt VBL-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung, „aber wir können einen Vorstandsbeschluss, den wir weiter für gerecht halten, nicht einfach über den Haufen werfen – auch wenn eine Verkettung von Umständen dazu führt, dass wir einen Platz in der Champions League nicht wahrnehmen.“

Auch die Konkurrenz wittert eine Ungerechtigkeit

Unverständnis darüber kommt auch vom Branchenführer aus Berlin. „Die Entscheidung kann ich nicht nachvollziehen. Sie ist nicht gut für den deutschen Volleyball, und sie ist auch nicht in Ordnung – denn Frankfurt war Bundesliga-Zweiter. Das ist Fakt“, sagt BR-Manager Kaweh Niroomand, „wir haben genügend Schwierigkeiten, unser Produkt am Markt zu platzieren. Solche Ungereimtheiten gefährden die gesamte Liga.“

Kopfschütteln löst der Beschluss gegen die United Volleys auch bei Kim Renkema aus. „Es ist unprofessionell, den dritten Startplatz nicht wahrzunehmen“, meint die Sportchefin von Allianz MTV Stuttgart, „das macht das Ganze noch absurder als bei den Frauen.“ Gleichzeitig wartet der Meister von 2019 weiter auf die Beantwortung seiner Frage, warum die VBL ausgerechnet das Drei-Jahres-Modell herangezogen hat – bei vielen anderen Berechnungen hätte der MTV vor dem SSC Schwerin gelegen. „Die Vereine haben ein Recht auf Transparenz“, sagt Renkema, „zumal ich nicht das Gefühl habe, dass der Liga-Vorstand verstanden hat, was es für einen Club bedeutet, Champions League spielen zu dürfen oder nicht.“

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Laut Geschäftsführer Jung hat sich der VBL-Vorstand in seiner Sitzung am 6. Mai mit drei Rechenmodellen beschäftigt: der nationalen Drei-Jahres-Wertung, einer Quotientenregelung der abgebrochenen Saison und einer Vier-Jahres-Wertung der internationalen Ergebnisse, in der die Stuttgarterinnen, die zuletzt zweimal im Viertelfinale der Königsklasse standen, vorne gewesen wären. „Wir haben intensiv diskutiert“, sagt Jung, „und uns am Ende für das erprobte und anerkannte Modell entschieden, nach dem auch die CEV ihr Europapokal-Ranking erstellt.“ Dass dies passiert ist, ohne die Vereine ausführlich darüber zu informieren, kritisiert auch Kaweh Niroomand: „Ich weiß nicht, warum sich die Liga mit Transparenz und Offenheit so schwer tut.“ Erst recht in einer Zeit, in der es noch viel größere Probleme gibt – die sich nur gemeinsam werden lösen lassen.