Der grün-schwarze Haussegen ist wieder einigermaßen gerade gerückt. Aber nur Dank des Hin- und Her-Schiebens von Lehrerstellen, wie die Verbände klagen. Langfristig soll der Rechnungshof Klarheit schaffen.

Stuttgart - Der Koalitionsausschuss muss nicht tagen. Die Einigung zwischen Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) und Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) über Lehrerstellen für Inklusion, Ganztag und Informatikunterricht stößt aber auf ein sehr verhaltenes Echo. Von „Flickschusterei“ spricht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), von „Mogelpackung“ und „Umverteilungssparprogramm“ der Landeselternbeirat. Die GEW wundert sich, warum Kultusministerin Susanne Eisenmann 500 Stellen gefordert hat, nun aber 320 ausreichen sollen. Der Elternbeirat konstatiert, dass „durch geschicktes Verschieben angeblich neue Stellen generiert werden, die bei weitem nicht ausreichen werden“.

 

Bedarf für Informatik reduziert

Die Ministerinnen sprechen von 320 zusätzlichen Stellen, die es im nächsten Schuljahr geben soll. 160 sollen für den Ausbau der Inklusion verwendet werden, 100 für den Ausbau des Ganztags und 60 für den Einstieg in den Informatikunterricht an den siebten Klassen. Dabei gilt die Beschränkung im Informatikunterricht als klassischer Kompromiss. Man habe den ursprünglichen Bedarf in den Verhandlungen reduzieren müssen, heißt es aus dem Kultusministerium.

Manche der 320 Stellen werden schon zum zweiten Mal als neu verkündet. 160 waren ursprünglich für mehr Mathematik- und Deutschunterricht an den vierten Klassen der Grundschulen kalkuliert und wurden schon in den Eckpunkten des Haushaltsplans 2017 als neu deklariert. Die Viertklässler des Jahres 2017/18 werden nicht in den Genuss des Zusatzunterrichts kommen. Diese Stellen werden jetzt in die Inklusion umgeschichtet. Entgegen früherer Äußerungen sagt Eisenmann nun, es gebe durch die Umschichtungen keinen Qualitätsverlust. Dem widerspricht Doro Moritz, die Landeschefin der GEW, entschieden. Die Grundschulen würden 160 der zusätzlich versprochenen Stellen nicht bekommen, das zeige, „dass die Grundschule keinen Stellenwert bei der Landesregierung hat“.

Schlechtes Lehrer-Schüler-Verhältnis an Grundschulen

Kultusministerin Eisenmann hatte erklärt, wichtig sei, Lehrer dort einzusetzen, wo sie gebraucht würden. „Die Schüler-Lehrerrelation in Baden-Württemberg ist bundesweit eine der besten“, sagte Eisenmann. Das gilt für die Grundschulen nicht. Nach den Zahlen der Kultusministerkonferenz, die allerdings von 2014 stammen, liegt Baden-Württemberg im Primarbereich auf dem letzten Platz aller Bundesländer. Demnach kommen im Südwesten statistisch gesehen 17,6 Grundschüler auf einen Lehrer, in Bayern beispielsweise sind es 16,5 und beim Spitzenreiter Hamburg 13,3.

Die zweiten 160 Stellen werden über die Programme Jugendbegleiter und schulreifes Kind finanziert. Das werten die Ministerinnen als ein Plus von 160 Deputaten gegenüber den ursprünglichen Eckpunkten zum Haushaltsplan. Allerdings handelt es sich nicht um zusätzliche neue Stellen, sondern um Umwidmungen, wie das Finanzministerium erklärt. Für die Programme können sich die Schulen den Gegenwert von Lehrerstellen auszahlen lassen. Im Jugendbegleiterprogramm werden damit zum Beispiel sportliche oder musische Angebote in der Ganztagsbetreuung finanziert.

Geld statt Stellen

Der neue Rechentrick ist, für das Schuljahr 2017/18 werden jetzt wieder 160 Lehrerstellen aus dem Programm finanziert. Die GEW befürchtet, dass sich die Unterrichtsversorgung verschlechtere. Die Regierung hält dagegen und erklärt, die Stellen seien bereits vorhanden. Sie bleiben jetzt quasi Stellen, werden für den Ganztag eingesetzt und nicht für das Programm monetarisiert. Was es zusätzlich für den Bildungsbereich gebe, ist laut Finanzministerium Geld: Als Ersatz für die entgangenen Lehrerstellen fließen für das Schuljahr 2017/18 neun Millionen Euro in die Programme. Das entspreche den 160 Deputaten.

Kommunen zögern bei Ganztagsschulen

Ursprünglich hatte Eisenmann allein für den Ausbau des Ganztagsbetriebs an Grundschulen 180 Stellen zusätzlich angemeldet. Jetzt sollen 100 reichen, aktuell lägen 80 Anträge aus Gemeinden vor. Viele Kommunen verhalten sich abwartend, weil sie nicht sicher sind, wie die grün-schwarze Landesregierung sich künftig zu Ganztagsschulen stellen wird. Der Ganztagsgipfel des Kultusministeriums am 24. November soll zur Klärung beitragen.

Bei allen Kalkulationsübungen bleibt das Kernproblem für die Lehrerverbände und die Interessensvertreter, dass die grün-schwarze Landesregierung unter dem Strich in den Jahren 2017 und 2018 nach wie vor 1074 Stellen streichen will. Dagegen wehren sich GEW, Berufsschullehrerverband und Gymnasialdirektoren ebenso vehement wie der Landeselternbeirat und die Behindertenverbände.

Rechnungshof soll Klarheit bringen

Einen Ausweg aus dem immerwährenden Rechnen und Umschichten könnte der Landesrechnungshof weisen. Sitzmann und Eisenmann haben sich darauf verständigt, die Prüfer einzuschalten. Das entspricht einem alten Wunsch der Grünen, die Strukturen im Kultusministerium unter die Lupe zu nehmen. Aber auch Susanne Eisenmann und die CDU scheinen dem Rechnungshof nicht abgeneigt. Ein Sprecher der Kultusministerin betonte, Eisenmann habe bereits im August bei einem Gespräch mit der Finanzministerin selbst vorgeschlagen, die Kontrolleure zu beauftragen. Beide Ministerinnen wollten Klarheit, so der Sprecher. Die aktuelle Verständigung gilt als Übergangslösung, bis die Prüfer ihren Bericht erstellt haben.

Im Staatsministerium werden die Umschichtungen als ein Sieg der Vernunft gewertet. Allerdings, so der Regierungssprecher, werde Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Kabinett deutlich machen, dass Vorstöße wie der von Susanne Eisenmann in Zukunft nicht mehr stattfinden sollten.