Vor gut einem Jahr wollte die Union in Baden-Württemberg noch einmal mit den Grünen koalieren und ging Kompromisse ein. Dazu gehörte die Lkw-Maut. Wegen der Krise stellt sie das ungeliebte Projekt nun wieder infrage.

In der grün-schwarzen Koalition bahnt sich ein handfester Konflikt um die geplante Ausweitung der Lkw-Maut auf Landes- und Kommunalstraßen an. Angesichts der hohen Inflation und der drohenden Energiekrise lehnt CDU-Fraktionschef Manuel Hagel die Maut nun ab. Er sagte der „Heilbronner Stimme“ (Samstag): „Ein baden-württembergischer Alleingang wäre zwar möglich, aber sicher keine kluge Lösung. Auch der Zeitpunkt ist aktuell denkbar schlecht: Der Ukraine-Krieg, die Gasmangellage, die Inflation und massiv gestiegene Energiepreise destabilisieren unsere Wirtschaft.“ Hagel will darauf dringen, dass die Landesregierung das Ziel in Krisenzeiten nicht weiter verfolgt.

 

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) reagierte prompt. Der Koalitionsvertrag sei da ganz klar, und er „finde es merkwürdig, dass einige in der CDU jetzt schon davon Abstand nehmen wollen, mit wenig überzeugenden Argumenten“. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass man als zusätzliche Einnahmequelle für den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs eine Lkw-Maut auf Landes- und Kreisstraßen einführen möchte.

Im Bundesrat gescheitert

Dafür soll Hermann zunächst im Bundesrat und in der Verkehrsministerkonferenz versuchen, die anderen Länder davon zu überzeugen, ebenfalls eine solche Maut einzuführen. Im Bundesrat war er vergangene Woche gescheitert. Wenn das bis zur Mitte der Legislaturperiode nicht gelingt, soll er laut Koalitionsvertrag eine Landeslösung ausarbeiten.

Hagel sagte der „Heilbronner Stimme“, die zusätzliche Belastung einer Lkw-Maut würde Mittelständler und Handwerker „in ihrer Wettbewerbsfähigkeit schädigen, und der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg würde an Attraktivität verlieren“. Zudem würden die Kosten einer eigenen Landes-Maut „vermutlich an Kundinnen und Kunden weitergegeben werden, was zu einer noch höheren Inflation führt“.

Lob von der FDP

Hermann hielt der Union vor, nicht dafür gesorgt zu haben, dass die anderen Länder im Bundesrat mitziehen bei der Maut. „Die Maut macht Sinn, weil die Straßenbelastung durch Lastwagen hoch ist und wir dringend Geld brauchen, um Straßen und Brücken zu sanieren, aber auch, um die Verlagerung auf klimaneutrale Verkehrsmittel zu finanzieren.“ Der Minister ergänzte: „Das Geld ist ja nicht nur fürs Land, sondern wird zur Hälfte auch an die Kommunen gehen.“ Vor der Einführung der Lkw-Maut auf Bundesebene habe die Wirtschaft genauso argumentiert. „Und heute ist die Maut selbstverständlich und kein wirtschaftliches Problem.“

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke lobte dagegen Hagel: „Es ist ein sehr guter Tag für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg: Minister Hermanns Abkassier-Träume in Gestalt einer Sonder-Maut auf Landesstraßen und auch auf Kreis- und Gemeindestraßen sind zerplatzt wie eine Seifenblase.“ Auch die Wirtschaft im Land lehnt die Mautpläne ab.

Die Lkw-Maut wurde in Deutschland 2005 auf den Bundesautobahnen eingeführt und inzwischen auf alle Bundesstraßen ausgeweitet. Sie gilt für Fahrzeuge ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen. Bei einer Ausweitung auf Landes- und Kommunalstraßen rechnet Hermann mit Einnahmen von 200 Millionen Euro im Jahr.