Die Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski will in keiner Buchhandlung lesen, die auch rechte Publizistik in ihren Regalen hat. Sie begibt sich damit in ein gefährliches Fahrwasser.

Kultur: Stefan Kister (kir)

Stuttgart - Niemand muss dahin gehen, wo er sich nicht wohlfühlt. Nun sollte man denken, dass sich eine kritische Autorin in einer gut sortierten Buchhandlung wie dem Münchner Traditionshaus Lehmkuhl ganz in ihrem Element fühlt. Doch offenbar hat ein zu vollständiges Programmspektrum auch seine Tücken. Die „Spiegel“-Kolumnistin Margarete Stokowski sah sich veranlasst, eine bereits ausverkaufte Lesung abzusagen, weil in dem Geschäft unter der Rubrik „Neue Rechte, altes Denken“ auch eine Auswahl von Büchern zu finden ist, die zum Theoriefundus der Neuen Rechten zählen. Sie könne in keiner Buchhandlung lesen, die Bücher von Rechten und Rechtsextremen im Regal stehen habe, also aktiv zum Verkauf anbiete, schreibt die feministische Autorin in einer Erklärung auf der Seite des Rowohlt-Verlags, in dem ihr Buch „Die letzten Tage des Patriarchats“ erschienen ist. Dadurch werde rechtes Denken normalisiert, wovon dessen Autorinnen und Autoren auch finanziell profitierten.

 

Der Lehmkuhl-Geschäftsführer Michael Lemling setzt sich in einer Stellungnahme zur Wehr. Wer sich gegen rechts engagiert, sollte wissen, was Rechte denken und lesen, wie sie argumentieren. Buchhandlungen sollten Orte für Debatten sein, legte er in einem Interview mit der „Süddeutschen“ nach. In der Kontroverse wiederholt sich, was bereits auf den letzten Buchmessen zu beobachten war: dass linker Protest immer zuverlässig Wasser auf die Mühlen der Rechten leitet. In Frankfurt und Leipzig konnten sich die Verteidiger autoritärer Herrschaftsstrukturen immer wieder als Opfer angeblichen Gesinnungsterrors in Szene setzen. Und was soll man zu der von Stokowski implizit erhobenen Forderung sagen, gewisse Bücher müssten auf dem Index stehen und dürften nicht verkauft werden? Dass in linkem Gebaren wiederkehrt, was man eigentlich für rechts gehalten hätte? In diesem Fall ein zensurähnliches Verhalten und ein Bescheidwissertum, das es gar nicht mehr für nötig hält, sich mit den Argumenten der Gegenseite auseinanderzusetzen?

Zu Recht hat die Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann jüngst in ihrer Friedenspreisrede darauf hingewiesen, dass nicht jede Gegenstimme Respekt verdiene, sie Respekt vielmehr verliere, wenn sie darauf ziele, die Grundlagen für Meinungsvielfalt zu untergraben. Die Meinungsvielfalt einer Buchhandlung sollte in Fragen des Respekts eine Richtschnur und kein Einwand sein. Solange in einem Geschäft eben nicht nur ein Regal mit altem Denken steht, sondern auch Lesungen mit linker Geschlechtertheorie angeboten werden, ist man gegen ideologische Vereinseitigung gefeit. Wo nicht, sind die letzten Tage des Patriarchats noch nicht angebrochen.

Anmerkung der Redaktion: Zunächst hatte dieser Text die Überschrift „Rechte Bücher, linke Zensur“, die allerdings inhaltlich nicht gedeckt war. Sie ist deshalb geändert worden.