Der geplante Abbau von einem Prozent aller Parkplätze in der City würde den Handel angeblich rund zehn Millionen Euro pro Jahr kosten. Der Ärger ist groß.

Stuttgart - Wer sich eines Klischees bedienen will, kann zugreifen: Der Handel jammert immer über das vermeintlich schlechte Geschäft. Und zwar so laut, dass der kollektive Untergang wegen des wachsenden Online-Handels nah scheint. Aber selbst wenn man dieser Dramatik die Spitze nimmt, ist jedem klar: Die Rahmenbedingungen für den stationären Handel in der Innenstadt waren selten so schlecht wie im Moment.

 

Aus diesem Grund kam so manchem Cityhändler jüngst die Galle hoch, als SPD-Stadtrat und Ex-City-Manager Hans H. Pfeifer zu der Erhöhung der Parkgebühren in der Stadt meinte: „Daran wird der Handel schon nicht kaputtgehen.“

Nachdem sich die erste Aufregung über diese Haltung gelegt hat, erklärt Christoph Achenbach von Lederwaren Acker im Königsbau: „Nur deshalb gehen wir sicher nicht kaputt, aber die gesamten Rahmenbedingungen sind doch sehr unglücklich. Derzeit kommt alles ziemlich geballt.“

Die Summe der Themen mache dem Handel laut Achenbach das Leben schwer: drohende Fahrverbote, Verteuerung des Parkens samt P + R, Verteuerung des ÖPNV, Baustellen und nun der geplante Wegfall von rund 150 Innenstadtparkplätzen. Dies will der Gemeinderat am kommenden Mittwoch auf Antrag der SPD, der Grünen und SÖS/Linke-plus entscheiden.

Handel wirft Politik Versagen vor

Für Rainer Bartle, Geschäftsführer des Buchhauses Wittwer, wäre dies eine weitreichende Fehlentscheidung. Er rechnet zusammen mit Handelsverband-Geschäftsführerin Sabine Hagmann vor: „Allein der Rückbau von 200 Parkplätzen hat beträchtliche Auswirkungen auf den Einzelhandel. Nimmt man eine achtmalige Nutzung des Parkplatzes pro Werktag an und geht man davon aus, dass dieser Nutzer im Durchschnitt für 20 Euro – als sehr zurückhaltende Annahme – einkauft, so geht der Innenstadt an dieser Stelle zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr verloren.“ Bartle weiter: „Die Diskussionen über das Auto und die Luft werden so auf dem Rücken des Handels und der Kunden ausgetragen. Und das nur, weil die Politik und die Automobilindustrie es nicht auf die Reihe bringen.“

Der Präsident des Handelsverbands, Hermann Hutter, nimmt den Ball auf und richtet sich in einem Brief an die Gemeinderatsfraktionen: „Die Entscheidung, die Innenstadt umzubauen, ist für den Einzelhandel in der City fatal. Der Einzelhandel befindet sich in einer revolutionären Phase der Veränderung, die vergleichbar ist mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert.“

Citymanagerin kämpft für den Handel

Tatsächlich wird die Diskussion über eine autofreie Innenstadt derzeit sehr ideologisch geführt. Zuletzt am Freitag im Ausschuss des Gemeinderats für Wirtschaft und Wohnen. Während das liberal-konservative Lager in der Debatte von einem „Kreuzzug gegen das Auto“ sprach, widersprach das ökologisch-linke Spektrum. „Wir machen doch keine Politik für den Handel“, sagte Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke-plus). Mittendrin saß City-Managerin Bettina Fuchs, die von Joachim Rudolf (CDU) aufgefordert wurde, die Sache des Handels doch ein wenig schärfer zu vertreten.

Die City-Managerin betonte, dass „der Handel massiv auf die Kaufkraft des Umlands angewiesen ist“. Breuninger-Chef Willi Oergel spricht sogar von einem 30:70-Verhältnis: „70 Prozent der Kunden kommen aus der Region.“ Daher macht sich Fuchs nun „große Sorgen, wenn weitere Parkplätze wegfallen“. Zudem kritisiert sie, dass über „die Auflösung der Parkhaus-Pachtverträge diskutiert wird und der Preis für Parken steigt“. In der Summe sendeten der Gemeinderat und die Verwaltung die falschen Signale aus.

Jene Signale kommen auch bei den Landespolitikern an. Mit Schrecken hat die FDP, namentlich Gabriele Reich-Gutjahr, die neuesten Ergebnisse über die Frequenzrückgänge auf der Königstraße vernommen. Platz 17 mit rund 7500 Passanten pro Stunde in einer bundesweiten Statistik hinter Bielefeld sei alarmierend. Auch Leni Breymaier (SPD) votiert im Gegensatz zu den Genossen in der Stadt für mehr Parkplätze. Diese seien „wichtig für den Handel“.

Was die Händler jedoch nicht erwähnten: Im und um den Cityring herum gibt es rund 11 500 Parkplätze in Parkhäusern und Parkgaragen. Verhandelt wird also um den möglichen Wegfall von etwas mehr als einem Prozent der Parkplätze in der City.