Der Streit um den Rost in den Rohren des Grundwassermanagements beschäftigt jetzt auch die Justiz. Stuttgart-21-Kritiker haben nach Informationen der StZ bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen des Verdachts einer Umweltstraftat erstattet.
Stuttgart - Der Streit über den Rost in den Rohren des S-21-Grundwassermanagements beschäftigt jetzt auch die Justiz. Eine Gruppe von S-21-Kritikern hat nach Informationen der Stuttgarter Zeitung bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen des Verdachts einer Umweltstraftat eingelegt. Die Anzeigenerstatter verdächtigen die DB Projektbau GmbH, die betreibende Firma Hölscher Wasserbau, das Amt für Umweltschutz und das Eisenbahn-Bundesamt, durch das Einleiten rostigen Wassers in den Untergrund des Stuttgarter Heilquellen-Schutzgebiets und in den Neckar möglicherweise eine Straftat der Gewässer- und der Bodenverunreinigung begangen zu haben. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte den Eingang der Anzeige. Die Beschuldigten haben die erhobenen Vorwürfe bereits mehrfach zurückgewiesen und erklärt, dass es kein rostiges Wasser in den blauen Rohren gebe.
Rot-bräunliche Färbung
Die Auseinandersetzung über das Rostwasser gelangte erstmals durch einen Bericht der Stuttgarter Zeitung im Mai dieses Jahres an die Öffentlichkeit. Die Ingenieure 22 – eine S-21-kritische Gruppierung – hatten im Frühjahr mehrfach an Endstücken der blauen Rohre Wasser entnommen und von unabhängigen Instituten untersuchen lassen. Festgestellt wurde ein hoher Eisenanteil von 11 bis 79 Milligramm je Liter Wasser – höher jedenfalls als im Planfeststellungsbeschluss genehmigt und jenseits dessen, was andere Bundesländer als Grenzwert für die Einleitung in Gewässer für akzeptabel halten. Zudem wies das entnommene Wasser gut sichtbar eine starke rot-bräunliche Färbung auf. Die Ingenieure 22 sehen dadurch ihre bereits im Genehmigungsverfahren geäußerte Befürchtung bestätigt, dass die eingesetzten Stahlrohre ohne Korrosionsschutz rosten würden.
Anschuldigungen zurückgewiesen
Die Bahn und die Firma Hölscher wiesen diese Anschuldigungen zurück. Die Rohre würden dem Stand der Technik entsprechen und in dieser Art auf zahlreichen Baustellen zum Einsatz kommen. Zudem würde die Wasserqualität ständig überprüft – ohne dass es zu Beanstandungen gekommen sei. Auch das Amt für Umweltschutz der Stadt und das Eisenbahn-Bundesamt erklärten, es gebe keine erhöhte Eisenbelastung. So habe Ende April eine optische Prüfung an allen 19 damals im Betrieb befindlichen Einleitungsstellen ergeben, dass die Wasserproben klar seien und Anhaltspunkte für eine Rostbrühe nicht vorhanden seien. Bei Mitte Mai durchgeführten Proben durch zertifiziertes Personal seien Eisenbelastungen zwischen 0,01 und 0,42 Milligramm pro Liter gemessen worden. Es bestehe keinerlei Anlass für weiter gehende Maßnahmen.
Anzeigenerstatter sprechen von Augenwischerei
Neue Nahrung erhielt die Debatte Ende Juni – durch einen Verkehrsunfall in der Jägerstraße. Ein Baustellenlaster riss die blauen Rohre um. Die in den Medien, auch in der StZ, veröffentlichten Fotos zeigten, dass rostiges Wasser aus den Rohren gelaufen war und die Leitungen innen stark verrostet aussahen. Für die Ingenieure 22 ist klar: „Damit kann von niemandem mehr der Sachverhalt bestritten werden, dass in diesen blauen Rohren kein klares Wasser, sondern eine mehr oder weniger starke Rostbrühe ansteht, deren Einleitung in das Heilquellenschutzgebiet weder zulässig noch verantwortbar ist“, heißt es in der Strafanzeige. Allerdings sah die Stadt – wie die der StZ vorliegenden Schreiben an besorgte Bürger und die Ingenieure 22 belegen – weiter keinen Anlass zum Einschreiten. Das Amt für Umweltschutz verweist darauf, dass am Folgetag des Unfalls an zwei Infiltrationsbrunnen Messungen einen Eisengehalt von 0,25 und 0,64 Milligramm pro Liter ergeben hätten. Zudem habe das Eisenbahn-Bundesamt die Bahn aufgefordert, die Wasserqualität an den Infiltrationsbrunnen für die nächsten zwei Monate wöchentlich zu untersuchen. Damit sei sichergestellt, dass „die Wasserqualität an den Einleitungsstellen wie bisher weiterhin pflichtgemäß und sorgfältig überwacht“ werde.
Auf niedrigem Niveau gefahren
Die Anzeigenerstatter halten das für „reine Augenwischerei“. Sie vermuten, dass bei den von der Bahn und dem Amt für Umweltschutz angeführten Messungen der als Schwebeteilchen im Wasser mitgeführte Rost abfiltriert worden sei, was jedoch die Ergebnisse dieser Untersuchungen „verfälscht und untauglich“ machte. Schließlich gebe es in den blauen Rohren keine Abfiltriereinrichtungen. Das Amt für Umweltschutz gehe offenbar davon aus, dass die Rostbelastung eine Anfangserscheinung im Rahmen des Grundwassermanagements sei, weil das System noch im Probebetrieb und auf niedrigem Niveau gefahren worden sei. „Das Verhalten des Amts ist höchst befremdlich“, meinen sie. In Schreiben an die Ingenieure 22 weist die Amtsleitung diesen Vorwurf zurück. Die Stadt sei lediglich „Verwaltungshelfer“ des Eisenbahn-Bundesamts und habe in dieser Funktion Vorschläge gemacht, die das EBA aufgegriffen habe und mit deren Umsetzung geklärt werden solle, ob das zur Versickerung vorgesehene Wasser den Einleitungskriterien entspreche. „Sobald die Ergebnisse vorliegen, wissen wir, ob Handlungsbedarf besteht“, heißt es darin.
BUND sieht Gefahr für die Umwelt
Unterstützung erhalten die Anzeigenerstatter auch auf der politischen Bühne. Die Grünen und SÖS/Linke fordern in Anträgen die Rathausspitze zu einer Stellungnahme und zur Klärung des umstrittenen Sachverhalts auf. Und der Naturschutzverband BUND weist auf die Gefahr hin, die Erdreich, Gewässern und den darin lebenden Tieren durch eisenhaltiges Wasser drohe. „Das kann komplett vernichtet werden“, sagt die Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender. Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf, dass die Widersprüche und offenen Fragen „öffentlich, transparent und nachvollziehbar geklärt werden“. Dahlbender erinnert daran, dass immer die Bedeutung des Grund- und Mineralwasserschutzes bei Stuttgart 21 betont worden sei. „Schon bei der ersten Bewährungsprobe tauchen alle zuständigen Ämter ab, und die Öffentlichkeit fischt im Trüben“, kritisiert sie.