Die Stadt habe bei der Vergabe ihrer Strom- und Gaskonzession „schwerwiegende Fehler“ gemacht, meint das Land. Nun muss das Verfahren komplett neu aufgerollt werden – und die Staatsanwaltschaft ermittelt. Doch das ist noch nicht alles.

Remseck - Eigentlich sollte zum 1. Januar des kommenden Jahres Klarheit herrschen: Die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim und die Stadtwerke Waiblingen sollen von diesem Zeitpunkt an die Besitzer und Konzessionäre des Strom- und Gasnetzes in Remseck sein. Ihnen gehörte dann das Netz mit Leitungen und Infrastruktur, und sie wären für Betrieb, Ausbau und Erhaltung verantwortlich. Doch aktuell ist alle Klarheit passé – dafür liegt jede Menge Ärger in der Luft.

 

Denn die Energiekartellbehörde des Landes hat die Entscheidung des Gemeinderats Remseck aus dem Jahr 2013, die Konzessionen an die Stadtwerke zu vergeben, kassiert. Eine entsprechende Verfügung wird in den kommenden Wochen ergehen. Von „schwerwiegenden Fehlern“ im damaligen Vergabeverfahren spricht Frank Lorho, Pressereferent im Umweltministerium, bei dem die Kartellbehörde angesiedelt ist. So habe die Stadt einen Kriterienkatalog, der eigens für die Entscheidung erstellt worden sei, nicht eingehalten. Und, noch wichtiger: Während der Vergabe seien beide Seiten, also die Stadt und die Stadtwerke als spätere Gewinner, von ein- und derselben Kanzlei beraten worden.

Das Land hat Strafanzeige erstattet

Ein Fehler, der laut Lorho nicht wieder gutzumachen ist – und wegen dem das Verfahren neu aufgerollt werden muss. Damit nicht genug: Das Land hat Strafanzeige gegen einen Anwalt der betroffenen Kanzlei gestellt. Die Staatsanwaltschaft führe ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Parteienverrats, bestätigt der Sprecher Heiner Römhild.

Um der Verfügung des Landes zuvorzukommen, hat die Stadt unlängst den Gemeinderat zu einer Sondersitzung aus der Sommerpause geholt. Darin wollte das Rathaus eine Erklärung beschließen lassen, nach der man das Verfahren freiwillig neu aufrollt – um „die Bedenken der Kartellbehörde auszuräumen und Rechtssicherheit herzustellen“ wie es in einer Vorlage heißt. Jedoch entschieden die Räte mit knapper Mehrheit anders – und gehen nun auf Konfrontationskurs mit dem Land.

Die Kartellbehörde solle ihre Kritikpunkte konkreter formulieren und eine öffentliche Verfügung erlassen, fordert etwa Gustav Bohnert (FDP). Bisher habe man nur ein nichtöffentliches Schreiben. Die darin genannten Vorwürfe „stimmen aus meiner Sicht nicht“, meint Bohnert. Gerhard Waldbauer (Freie Wähler) sieht das ähnlich: „Derzeit könnte ich keinem Bürger auf der Straße erklären, warum wir neu ausschreiben müssen“, sagt der Fraktionschef. Das Land müsse konkreter werden und könne nicht auf einen „vorauseilenden Gehorsam“ der Stadt setzen.

Der Gemeinderat geht auf Konfrontationskurs

Einzig die CDU-Fraktion stimmte mehrheitlich für eine freiwillige Wiederholung der Konzessionsvergabe. Die Stadt hätte dadurch eine Zeitersparnis gehabt, meint der Vorsitzende Steffen Kirsch. Nun müsse man auf die Verfügung des Landes warten. Auch Kirsch sieht keine Fehler in der Vergangenheit.

Besonders ist die Angelegenheit, weil die beiden Stadtwerke seit dem Beschluss 2013 erheblichen Aufwand in Remseck betrieben haben – verbunden mit hohen Kosten. So wurde eigens eine Netzgemeinschaft gegründet, diese verhandelte über Jahre mit den bisherigen Besitzern der Infrastruktur, der EnBW-Tochter Netze BW und dem Unternehmen Syna über einen Kauf. Erst im April erzielte man den Durchbruch: Vom 1. Januar an ist die Gemeinschaft alleiniger Besitzer des Strom- und Gasnetzes in der Stadt.

Nun könnte alles umsonst gewesen sein, bei einer neuen Ausschreibung könnte es einen anderen Sieger geben. Volker Eckert, Geschäftsführer der Netzgemeinschaft, ist daher zurückhaltend. Man werde die Verfügung abwarten und beraten, sobald der zweite Chef Bodo Skaletz aus dem Urlaub zurück sei, erklärt er. Klar ist: Ein erfreulicher Start nach den Ferien sieht anders aus.

Auch in Freiberg am Neckar schritt die Kartellbehörde ein

Neuvergaben
Dass Remseck sowohl Strom- wie auch Gaskonzession neu ausschreiben muss, ist eine Seltenheit, aber kein Einzelfall: So berichtete das Umweltministerium dem Landtag von vier Kommunen, die ebenfalls aufgefordert wurden, beide Vergaben zu wiederholen – die Städte Leimen, Bad Wimpfen, Süßen und Freiberg am Neckar. Lenningen (Kreis Esslingen) musste die Stromkonzession neu ausschreiben. Zurzeit laufen laut Ministerium fünf weitere solcher Kartellverfahren.

Kritik
2011 hatte Freiberg am Neckar mit der Vergabe der Strom- und Gaskonzession begonnen, der städtische Versorgungsbetrieb bekam damals den Zuschlag. Doch die Energiekartellbehörde forderte Freiberg nachträglich auf, neu auszuschreiben: Die Kriterien, nach denen die Entscheidung erfolgt war, seien unzureichend gewesen. Im Juli 2015 stimmte der Gemeinderat ein zweites Mal ab, nun gingen die Stadtwerke Freiberg als Sieger hervor. Stefan Kegreiß, der Erste Beigeordnete im Rathaus, kritisiert im Rückblick den „fehlenden rechtlichen Rahmen“: Die Vergabe durch die Kommunen sei ein „Stochern im Nebel“, die Kartellbehörde könne „tun und lassen, was sie will“.