In den Streit um Stromnetze will das Land weiter nicht eingreifen. Doch die Regierung fordert von dem Energiekonzern eine „konstruktive“ Rolle – und die Landtags-Grünen das Anerkennen von Urteilen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

In Südbaden wächst der Frust über die Rolle der Landesregierung im Streit um die Herausgabe von Stromnetzen durch den landeseigenen Energiekonzern EnBW. Enttäuschung hat in der Region die Reaktion auf einen Brief ausgelöst, in dem der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) um eine Intervention gebeten hatte. Seine Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) ließ Kretschmann antworten, das Land habe bei der EnBW „keine direkte Ein- oder gar Durchgriffsmöglichkeit“. Viele der mehreren Dutzend Bürgermeister, die den Brief unterzeichnet haben, fühlen sich nun von Stuttgart „abgespeist“ – zumal es nicht einmal ein Gesprächsangebot des Regierungschefs gegeben habe.

 

Der Streit um die Stromnetze in zehn südbadischen Gemeinden, die von der EnBW-Tochterfirma Naturenergie zur Netztochter des Freiburger Versorgers Badenova wechseln wollen, schwelt bereits seit Jahren. Obwohl die Gemeinden in zwei Gerichtsinstanzen gewonnen hatten, verweigert Naturenergie die Herausgabe der Netze. Begründung: die Vergabe sei nicht rechtskonform erfolgt. Nun müsste Badenova klagen, was wiederum ein jahrelanges Verfahren nach sich ziehen würde. Freiburgs OB Horn, der zugleich Aufsichtsratschef der Badenova ist, warnt daher vor einem „Eigentor für die Energie- und Wärmewende“.

Staatssekretärin zeigt Verständnis für Ärger

Splett hatte in ihrem Schreiben Verständnis für den Wunsch der Gemeinden nach einer schnellen Lösung gezeigt. „Es ist auch im Interesse des Landes, dass Differenzen bezüglich kritischer Infrastrukturen zeitnah und zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger beigelegt werden“. Allerdings handele es sich um eine „hoch komplexe Angelegenheit, die sich auch vonseiten des Landes nicht einfach auflösen lässt“. Auch wenn die EnBW überwiegend dem Land und dem Landkreiseverbund OEW gehöre, könne die Regierung keinen Einfluss auf das „rein operative Geschäft nehmen“, schrieb die Staatssekretärin. Man werde die EnBW jedoch „bitten, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten konstruktiv einzubringen“ – eine ziemlich sanfte Form von Druck.

Deutlich kritischer hatten sich die Grünen im Umweltausschuss des Landtags zum Agieren des Energiekonzerns geäußert. Man müsse „die EnBW-Spitze an das Anerkennen von gerichtlichen Entscheidungen erinnern“, hieß es nach der Beratung im Februar. Bei der Energie- und Wärmewende gebe es so viel zu tun, dass man sich nicht miteinander, sondern mit der Sache beschäftigen sollte.

Weg für geplante Milliardenspritze ist frei

Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) hatte ebenfalls vor dem Eindruck gewarnt, „dass staatliche Ebenen gegeneinander kämpfen“. Das Vorgehen der EnBW erscheine „besonders hässlich“ angesichts der geplanten Kapitalerhöhung von insgesamt drei Milliarden Euro. Nach dem Land hat inzwischen auch der Zweckverband OEW den Weg dafür freigemacht. Man sei „überzeugt von der Wachstumsstrategie der EnBW“ und unterstütze die Investitionen in die Energiewende, betonte die OEW-Chefin und Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle (CDU). Die Entscheidung über die Milliardenspritze liegt nun bei der EnBW-Hauptversammlung im Mai.