Die Kontrollbehörde Bundesrechnungshof hat allein seit 2013 acht Prüfverfahren angestrengt und durchleuchtet das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 viel intensiver als bisher bekannt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Der Bundesrechnungshof prüft die Finanzströme an Bundesmitteln in das Bahnprojekt Stuttgart 21 intensiv. Seit 2013 hat die Bonner Kontrollbehörde fünf Prüfungen dazu abgeschlossen. Zwei weitere Untersuchungen stehen vor dem Abschluss, hierzu hat das Bundesverkehrsministerium vorläufige Prüfmitteilungen erhalten. Eine weitere Prüfung zur Teilfinanzierung des Milliardenprojekts aus Finanztöpfen für den kommunalen Verkehr läuft noch.

 

Experten des Bundesrechnungshofs erwarten, dass der Tiefbahnhof und die Tunnelstrecken in Stuttgart am Ende bis zu zehn Milliarden Euro kosten könnten. Damit würden sie 50 Prozent teurer als die bisher veranschlagten 6,5 Milliarden Euro. Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Keferhatte diese Zahl im Aufsichtsrat bekräftigt. Allerdings ist bisher die Finanzierung von mehr als zwei Milliarden Euro strittig. Wer weitere bis zu 3,5 Milliarden Euro zahlen würde, ist ungeklärt. Die bundeseigene Bahn steckt in der Krise und ist bereits hoch verschuldet.

So intensiv untersucht wie bei keinen anderen Projekt

Der Bundesrechnungshof hat das Bauprojekt in den vergangenen dreieinhalb Jahren so intensiv unter die Lupe genommen wie kein anderes staatliches Vorhaben. Die S-21-Prüfergebnisse liegen in der Regel bei der Bundesregierung unter Verschluss. Auch für den Rechnungshof gilt die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht nach § 395 Aktiengesetz, wenn seine Erkenntnisse aus vertraulichen Unterlagen der DB AG stammen. Der größte Staatskonzern ist zwar komplett in öffentlicher Hand und bekommt jedes Jahr Milliarden Steuergelder, dennoch hat der Rechnungshof hier nur eingeschränkte Prüfrechte. Die Themen der Prüfungen zeigen, dass der Rechnungshof vor allem sicherstellen will, dass Bundesmittel nicht zweckentfremdet werden. Die Steuergelder für das Bahnprojekt, das der Staatskonzern auf eigenes Risiko baut, stammen aus unterschiedlichen Fördertöpfen.

Beim Bundesverkehrsministerium will man die Verfahren des Rechnungshofs und den Bericht unserer Zeitung nicht kommentieren. Eine Sprecherin betont, das Vorhaben sei „ein eigenwirtschaftliches Projekt der DB AG“ und ihrer Vertragspartner, des Landes, der Stadt, der Flughafengesellschaft und des Verbands Region Stuttgart. Gleichzeitig wird im Hause von Minister Alexander Dobrindt (CSU) betont: „An Mehrkosten für das Projekt Stuttgart 21 beteiligt sich der Bund nicht, da es kein Bundesobjekt ist.“

Ob der Bund dennoch bald aushelfen muss, um Mehrkosten zu decken, könnte zu einer politisch brisanten Frage werden. Die Grünen im Bundestag wollen klären, wie viele Bundesmittel bei S 21 tatsächlich verbaut werden. Entsprechende Fragen soll Dobrindt beantworten. „Ich möchte endlich Klarheit darüber, wie viele Bundesmittel geflossen und welche Ausgaben noch geplant sind“, sagt der Bahnexperte der Fraktion, der Filderstädter Matthias Gastel. Schon jetzt werde Stuttgart 21 „vom Bund ordentlich mit Steuergeldern mitfinanziert“.

Der Bund übernimmt den Festbetrag von 564 Millionen Euro

Das Verkehrsministerium beziffert die Bundesmittel auf 1,229 Milliarden Euro. Das Geld stammt aus mehreren Töpfen: Erstens übernimmt der Bund einen Festbetrag von 564 Millionen Euro, der nach dessen Rechnung für die Einbindung der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm auch ohne den Umbau des Bahnknotens angefallen wäre. Darin sind auch EU-Fördermittel enthalten. Zweitens kommen 168 Millionen Euro aus den Fördertöpfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Hier prüft der Rechnungshof die Finanzströme aktuell bereits zum zweiten Mal. Drittens stammen 497 Millionen Euro aus der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV), über die der Bund der DB AG jedes Jahr mehrere Milliarden Euro zum Erhalt der bundesweit rund 33 000 Kilometer Gleise und 5400 Bahnhöfe gibt.

Experten warnen, dass letztlich die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden könnten. „Es steht zu befürchten“, ahnt Gastel, „dass bei erneuten Kostensteigerungen letztlich der Bund erneut kräftig blechen muss.“ Bleibt die Frage, woher diese Bundesmittel kommen könnten. Nicht nur Gastel hegt den Verdacht, dass LuFV-Gelder, die für den bundesweiten Erhalt der Eisenbahninfrastruktur bestimmt sind, für Stuttgart 21 „faktisch zweckentfremdet“ werden könnten. Über die Verwendung der LuFV-Mittel entscheidet allein der Konzern. Die staatliche Überwachung der Ausgaben halten Experten für zu gering.

Die Gefahr der Zweckentfremdung sieht auch der Rechnungshof. In einem neuen Prüfbericht zur Regulierung des Wettbewerbs im Schienenverkehr warnt die Behörde den Haushaltsausschuss des Bundestags explizit, die DB könne ohne Wissen des Bundes mit den LuFV-Mitteln auch Kosten von Neu- und Ausbaumaßnahmen wie Stuttgart 21 finanzieren. Die Behörde fordert deshalb strengere Vorgaben und Kontrollen.