Der Verkehrsminister hat eine Faktenfindung für das umstrittene Straßenprojekt im Norden von Stuttgart angeregt. Für die CDU-Abgeordnete Nicole Razavi ist das Verzögerungstaktik. Daneben hat Winfried Hermann noch andere, gemischte Reaktionen ausgelöst.

Stuttgart - Der Vorschlag von Landesverkehrsminister Winfried Hermann, für den umstrittenen Nordostring eine Faktenfindung zu starten, hat am Montag unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Befürworter und Gegner dieses Straßenprojektes betonten unter anderem, die Kriterien und Rahmenbedingungen müssten stimmen. Die CDU-Landtagsabgeordnete Nicole Razavi forderte sofortige Planungen.

 

Thomas Kiwitt, Leitender Technischer Direktor des Verbandes Region Stuttgart, äußerte sich ebenfalls kritisch: Der Nordostring sei bereits eingehend untersucht worden, auch was die Entlastungseffekte für bestehende Straßen und Umwelt- und Klimabelange angehe. Gänzlich neue Aspekte seien aber nicht zu erwarten. Das Verkehrsmodell sei geprüft worden. Belastbare Fehler hätten sich nicht ergeben. Die Beteiligung der Verbände und die Abwägung sehr vieler Belange seien umfassend gewesen. „Überzeugt werden müssen nun diejenigen, deren Aufgabe das Planen und Bauen von Straßen ist“, sagte Kiwitt unserer Zeitung. Insofern könne Hermanns Vorschlag hilfreich sein. Durch Untersuchungen allein werde die Verkehrslage in der Region nicht besser.

CDU fordert den sofortigen Beginn der Planungen

Das Projekt Nordostring ist die Idee, eine neue Straßenverbindung zwischen der B 27 bei Kornwestheim/Ludwigsburg und der B 14 bei Fellbach/Waiblingen zu schaffen – und dadurch einen Fernstraßenring um Stuttgart herum zu komplettieren. Aus Sicht der CDU ist in ihrem Koalitionsvertrag mit den Grünen geregelt, dass man bei Planung und Bau die Voraussetzungen auch für dieses Projekt schafft. Daher sagte Razavi unserer Zeitung, Hermann habe mit seinem Vorgehen „ein grobes Foul“ begangen. Es handle sich um ein „durchsichtiges Manöver, alles noch weiter hinauszuzögern“. Der Minister und das Regierungspräsidium müssten keine Faktenfindung starten, sondern die Planung. In dem Zusammenhang könne und müsse man all das machen, was Hermann anführte. Je eher man plane, desto eher könnte man bauen. Und der Nordostring und eine Filderauffahrt müssten rasch Stuttgarts Innenstadt entlasten.

Andreas Hesky, Waiblinger OB und Fraktionschef der Freien Wähler im Regionalparlament, bezeichnete den Versuch, das Thema auf einer sachlichen Faktenlage anzugehen, als „guten Weg“. Allerdings müsse man sich die geplanten Rahmenbedingungen anschauen – und wer beauftragt werde. Sollten die Fakten eindeutig ausfallen, müssten auch Konsequenzen gezogen werden. Allerdings dürfe nicht jede persönliche Betroffenheit das Aus für so ein Projekt bedeuten. Hesky ist Befürworter dieser Verbindung, allerdings nicht in vierspuriger, autobahnähnlicher Form, sondern in zweispuriger Form. An Steigungen wünscht er sich eine dritte Spur, und die Trasse sollte weitestgehend im Tunnel verlaufen, vor allem im Bereich Schmidener Feld.

Bürgerinitiative will schauen, ob hier klammheimlich geplant wird

OB Gabriele Zull und der Gemeinderat in Fellbach befürchten, dass der Nordostring sehr viel mehr Verkehr in die Region bringen, die bestehende Infrastruktur extrem belasten bzw. komplett überfordern würde. Es sei richtig, die bisher sehr differierenden Fakten neu zu sichten und zusammenzutragen, sagte Zull. Die Folgen für Menschen, Natur und wertvolle landwirtschaftliche Flächen seien bisher nicht ausreichend analysiert. Man sei sich sicher, dass die Fellbacher Haltung am Ende bestätigt werde.

Vom Verein Arbeitsgemeinschaft Nord-Ost erklärte Joseph Michl, man habe nichts gegen Fakten. Man müsse aber genau draufschauen, ob hier nicht „ein klammheimlicher Einstieg in die Planung“ stattfinde. Wenn es tatsächlich ein unabhängiges und unparteiliches Verfahren sein solle, müsse das Projekt Nordostring bis auf Weiteres aus dem Fernstraßen-Ausbaugesetz herausgenommen werden. Dem Klimaschutz müsste erhöhte Bedeutung eingeräumt werden.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel aus Filderstadt erklärte, ein Faktencheck mache ihm keine Angst. Der Nordostring sei eines der wenigen Straßenbauprojekte, das schon die Vorprüfungen durch den Bund nicht bestanden habe und damit nicht als vordringlich in den Bundesverkehrswegeplan eingestuft worden sei. Die Ära neuer Autobahnen und autobahnähnlicher Straßen wie des Nordostrings sei vorbei. Ein guter öffentlicher Nahverkehr sei entscheidend zur Lösung von Verkehrsproblemen.