Der Streit, ob die Landeshauptstadt Wiesen und Äcker für den Wohnungsbau opfern muss, verschärft sich noch einmal. Und Ende Juli droht im Rathaus schon der nächste Schlagabtausch.

Stuttgart - Der Wohnungsbau ist im Stuttgarter Rathaus ein hoch emotionales Thema. Das war schon vor der Gemeinderatswahl am 26. Mai so. Es könnte aber noch heftiger werden. Das deutete sich am Montag im dafür zuständigen Unterausschuss des Gemeinderats an. Dort gingen die CDU und die SPD noch weiter in die Offensive, was ihre Forderung angeht, nicht nur auf Brachen oder bisher anderweitig versiegelten Grundstücken zu bauen und nicht nur in Ortslagen.

 

Auch an den Siedlungsrändern müssten zusätzliche Bauflächen ausgewiesen werden, hatten sie schon vor der Wahl verlangt – und die CDU wie auch die SPD im Rathaus ist von den Wählern geschrumpft worden. Die Mehrheit, die die beiden vorher mit Freien Wählern und FDP zustande bringen konnten, ist jetzt wahrscheinlich nicht mehr vorhanden, wenn sich der neue Gemeinderat vor Ferienbeginn konstituiert. Das ficht die CDU jedoch nicht an.

CDU und SPD legen noch einen Zahn zu

So deutlich wie selten zuvor verlangt sie jetzt, dass auch jenseits des Siedlungsrandes gebaut wird. „Das kann auch dort sein, wo noch Rasen, Wiesen und Rüben sind“, erläuterte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. „Wir brauchen das wieder wie in den 1990er Jahren, wenn wir akzeptable und bezahlbare Mieten wollen“, sagte sein Parteifreund Carl-Christian Vetter. Von denen, die auf strikte Innenentwicklung beharrten, werde ein gesellschaftlicher Trend wie die 52 Prozent Anteil der Singles an Stuttgarts Haushaltszahl „politisch wegdiskutiert“.

SPD-Fraktionschef Martin Körner kritisierte: „Wir brauchen noch viele neue Wohnungen, und wir sind in der Innenentwicklung leider nicht so gut.“ Nachdem zuvor die Verwaltung den Wohnungsmarktbericht 2019 erläutert hatte, warf Körner ihr sogar vor, Zahlen zu „frisieren“. Grund: Bei der Zahl der Sozialmietwohnungen seien Wohnungen mit eingerechnet werden, die gar keine Sozialwohnungen seien: die Wohnungen der städtischen Partner im Bündnis für Wohnen, die für zehn Jahre belegungsgebunden zu 90 Prozent von der ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet werden. Diese Wohnungen, meinte Körner, könnten in der Übersicht der Belegungsrechte auftauchen, aber nicht bei den Sozialwohnungen. Daneben gab Körner zu bedenken, dass die Verwaltung in die Zahlen der vielen fertiggestellten Wohnungen in den Jahren 2016 und 2017 jeweils auch Hunderte von Flüchtlingswohnungen einberechnet habe. Das müsse man bedenken, wenn man die Zahl der fertiggestellten Wohnungen bewerte.

Baubürgermeister wartet auf Vorschläge der Kritiker

Städtebaubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) wies den Vorwurf zurück. Man frisiere nichts. Um geförderte Wohnungen im strengen Sinn handle es sich bei den Wohnungen der Bündnispartner vielleicht wirklich nicht, aber es seien auch bezahlbare Wohnungen, die man ja vor allem erreichen wolle. Die Belegungsrechte seien wichtig, damit die Stadt den in der Wohnungsdatei der Stadt vorgemerkten Wohnungssuchenden helfen könne. Und zum anderen Aspekt sagte Pätzold, Flüchtlinge seien für die Verwaltung auch Stuttgarter, die ein Dach über dem Kopf brauchen.

Pätzold lehnte zudem die Forderung ab, die Stadt auf weitere Potenziale für Baugelände zu prüfen und Stellung zu nehmen zur Bebaubarkeit von Wiesen und Äckern. CDU-Chef Kotz meinte, das sei geboten, weil sich in Stuttgart – wie durch die Verlängerung von Stadtbahnlinien – viel verändert habe. Pätzold sagte kühl, alle Flächen seien bekannt und schon erwogen, eine Gemeinderatsmehrheit habe die Innenentwicklung beschlossen. Wenn jemand draußen bauen wolle, solle er die altbekannten Listen zurate ziehen und Vorschläge machen, über die der Gemeinderat dann abstimme. Im Übrigen sei die Bauindustrie bereits ausgelastet.

Silvia Fischer (Grüne) und Thomas Adler (Linke) wiesen das Ansinnen, im Außenbereich zu bauen, auch zurück. Nur mit mehr Wohnungsbau seien die Probleme nicht in den Griff zu kriegen, die Mietpreise nicht zu begrenzen. Adler verband das aber auch mit massiver Kritik an der Verwaltungsspitze und Fraktionen, weil zum Beispiel zu wenig gegen Leerstand von Wohnungen getan werde. Eine Trendumkehr zugunsten von mehr bezahlbarem Wohnraum, meint die Linke anders als die Grünen, gebe es noch nicht.

Diese Themen dürften wieder heiß diskutiert werden, wenn die Verwaltung am 23. Juli den Entwurf der neuen Zeitstufenliste Wohnen vorlegt. Die alte Liste benannte Flächenpotenziale für rund 24 000 Wohnungen binnen eines Jahrzehnts. Die neue, befürchtet die SPD, wird weniger auflisten. Die Verwaltung müsste aber Flächen für bis zu 30 000 Wohnungen benennen.