In einigen Regionen Baden-Württembergs wollen Pharmazeuten ihre Apotheken in den nächsten Tagen stundenweise schließen. Sie sind unzufrieden mit der Honorierung ihrer Arbeit und schließen andauernde Ausstände nicht aus.

Nachrichtenzentrale: Andreas Schröder (sö)

Stuttgart - Patienten in Baden-Württemberg könnten in den kommenden Tagen vor verschlossenen Apothekentüren stehen. Der Apothekenverband im Land ruft die Pharmazeuten zu Warnstreiks auf, um im Streit um höhere Honorare für Apotheken den Druck auf die Regierung in Berlin zu erhöhen. „Die Apotheker werden in wenigen Tagen in einigen Regionen Baden-Württembergs mit Warnstreiks beginnen, um für eine auskömmliche Apothekenvergütung zu kämpfen“, teilte der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) mit. LAV-Präsident Becker schloss auch länger andauernde Arbeitsniederlegungen nicht aus. Zunächst aber sollen die Läden stundenweise geschlossen werden. Eine Notdienstversorgung, nachts oder am Sonntag, solle bleiben. Dazu sind die Apotheker auch gesetzlich verpflichtet.

 

Schon seit Wochen kritisieren die Apotheker die von Bundeswirtschaftsministerium und Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplante Erhöhung des Apothekenhonorars als unzureichend. Seit dem Jahr 2004 sind die Honorare der Apotheken für die Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel unverändert. Während die Apothekerverbände in Deutschland für die bundesweit etwa 21 300 selbstständigen Apotheker mit ihren rund 148 000 Mitarbeitern eine Erhöhung um mehr als einen Euro pro Packung fordern, peilt der zuständige Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ein Plus von 25 Cent an.

Ein Apotheker erhält derzeit einen Festzuschlag von drei Prozent auf den Einkaufspreis je Packung, zuzüglich 8,10 Euro Zuschlag und abzüglich 2,05 Euro Abschlag für die gesetzlichen Kassen.

Wolf: „Der Apotheker erfüllt Gemeinwohlaufgaben“

Schäuble gegen jegliches Honorarplus

Die Politik begründet ihr Abgebot damit, dass die Zahl der abgegebenen Packungen seit 2004 merklich gestiegen sei und sich damit auch der Verdienst der Apotheker erhöht habe. Die Apotheker peilen 9,14 Euro pro Packung an und begründen ihre Forderung mit gestiegenen Miet-, Energie- und Personalkosten. Mehr Packungen bänden mehr Personal für die Beratung sowie Verwaltungsarbeiten.

„Der Apotheker erfüllt Gemeinwohlaufgaben. Der Staat muss dafür sorgen, dass er diese auch wahrnehmen kann“, forderte Heinz-Günter Wolf, der Präsident des Bundesverbandes der Apotheker (ABDA), unlängst im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hingegen forderte Rösler auf, das Honorar auf dem jetzigen Stand zu belassen.

Die Warnstreiks im Südwesten könnten erst der Anfang eines ausgedehnten Protestes sein. Nach einer Umfrage des Branchendienstes Apotheke ad hoc unter mehr als 1000 Apothekern stehen flächendeckend „die Zeichen in den deutschen Apotheken auf Streik“. Weil die Auseinandersetzung um eine Erhöhung des Fixhonorars ins Stocken geraten sei, wollten die Pharmazeuten eine schärfere Gangart einschlagen, hieß es. 82 Prozent der Teilnehmer befürworteten laut Umfrage einen Apothekerstreik, zwölf Prozent waren der Auffassung, dass dies nichts bringe.

Ein deutscher Apotheker hat gegen Rabatte geklagt

Nur eine Minderheit von vier Prozent sorge sich um das Verhältnis zur Politik. Ein flächendeckender Streik der Apotheken in Deutschland wäre laut dem Branchendienst ein Novum. Größere Demonstrationen von Apothekern und deren Mitarbeitern gab es zuletzt im Herbst 2006 in Hamburg, München, Leipzig und Düsseldorf gegen ein Gesetz der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD).

Apotheker zufrieden mit BGH-Urteil

Die Apotheker und auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) begrüßten eine höchstrichterliche Entscheidung zum Arzneimittelversand aus dem Ausland. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hatte, wie berichtet, am Mittwoch entschieden, dass die festen Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel auch für Versandapotheken aus dem EU-Ausland gelten, die Medikamente an Kunden in Deutschland schicken. Damit klärte der Gemeinsame Senat eine unterschiedliche Auffassung zwischen dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe und dem Bundessozialgericht in Kassel (AZ: GmS-OGB 1/10). „Aus guten Gründen hat die Politik seit Jahrzehnten festgelegt, dass verschreibungspflichtige Medikamente nicht dem Preiswettbewerb unterliegen“, sagte Bahr der „Rheinischen Post“. Das Votum des Gerichts schaffe „die Voraussetzungen für fairen Leistungswettbewerb zwischen in- und ausländischen Apotheken“, meinte ABDA-Chef Wolf.

Im konkreten Fall hatte ein deutscher Apotheker gegen Rabatte der niederländischen Europa Apotheek geklagt. Diese gewährte ihren Kunden gegen Vorlage eines verschreibungspflichtigen Rezeptes einen Rabatt von drei Prozent, mindestens aber 2,50 Euro und höchstens 15 Euro pro verordneter Packung. Nach der deutschen Arzneimittelverordnung und dem Arzneimittelgesetz sind solche Rabatte verboten. Erlaubt sind kleine Boni für die Kunden wie etwa eine Taschentuchpackung im Wert von höchstens einem Euro.