Im Streit um die Gewerbesteuer-Millionen der WGV-Versicherung zwischen Ravensburg und Stuttgart will die oberschwäbische Stadt das Urteil des Finanzgerichts Stuttgart nach Rückzahlung und Aufteilung der Millionensumme nicht akzeptieren.

Stuttgart/Ravensburg - Der Gemeinderat von Ravensburg will den Streit mit Stuttgart um entgangene Gewerbesteuer weiter führen. Der Gemeinderat der fast 50 000 Einwohner zählenden Stadt in Oberschwaben hat am Montag mit großer Mehrheit entschieden, beim Finanzgericht Stuttgart eine mündliche Verhandlung zu beantragen.

 

In dem Streit geht es um insgesamt 80 Millionen Euro. Die Landeshauptstadt glaubt, dass die Württembergische Gemeindeversicherung (WGV) ihr diese Summe zu Unrecht vorenthalten hat. Die WGV-Holding war im Jahr 2004 nach Ravensburg gezogen. Seither bekommt Stuttgart viel weniger Gewerbesteuer von dem Konzern überwiesen als bisher.

Weil in Ravensburg der Hebesatz für Gewerbesteuer mit 350 von Hundert deutlich günstiger war als in Stuttgart, wo 420 von Hundert zu berappen waren, sparte der Versicherer Jahr für Jahr zwischen fünf und sechs Millionen Euro ein. Just diese Summe fehlt seither im Stadtsäckel von Stuttgart.

In Stuttgart arbeiten 750 Beschäftigte für die WGV

Ein für den Kämmerer der Landeshauptstadt nicht akzeptables Missverhältnis, denn während nach Konzernangaben in Stuttgart rund 750 Beschäftigte bei der WGV arbeiten, sind es in Ravensburg gerade einmal 40 Personen. Lange Zeit waren dort neben dem dreiköpfigen Vorstand gar nur 1,5 Stellen angesiedelt.

Etwa 40 Prozent des WGV-Gewinns sollen in all den Jahren nach internen Berechnungen nach Ravensburg geflossen sein. Stuttgart sollen rund 50 Millionen Euro entgangen sein. Bei einem jährlichen Gewerbesteueraufkommen, das lange Zeit bei rund 600 Millionen Euro lag, war dies ein üppiger Batzen, aber eben noch lange nicht so viel wie für Ravensburg, das jedes Jahr zwischen 35 und 40 Millionen Steuern von niedergelassenen Firmen einnimmt.

Stuttgart aber hat nichts zu verschenken und muste zuletzt herbe Rückschläge einstecken. So gehört Porsche seit 2012 zum Volkswagenkonzern und überweist eine unbekannte Millionensumme nach Wolfsburg. Weder unter dem CDU-OB Wolfgang Schuster noch unter dem Grünen Fritz Kuhn hatte die Landeshauptstadt ein Interesse daran die Sache auf sich beruhen zu lassen, wie es der Ravensburger Oberbürgermeister Daniel Rapp (CDU) empfohlen hatte.

Das Finanzgericht sprach Stuttgart 35,8 Millionen Euro zu

Als Stuttgart mit einem Einspruch bei der Finanzverwaltung des Landes zunächst abblitzte, zog die Stadt vor das Finanzgericht Stuttgart. Nach langem Hin und Her hatte dies Ende November entschieden, dass der Landeshauptstadt auf Grundlage des Steuerbescheides von 2008 nun 44,8 Prozent der WGV-Steuer zustehen.

„Mit diesem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein“, hatte der Ravensburger OB Rapp gepoltert und die Linie vorgegeben, das Urteil weiter juristisch anzufechten. Mit gutem Grund: sollte der Rechtsspruch des Finanzgerichts rechtskräftig werden, müsste Ravensburg 35,8 Millionen Euro an Stuttgart überweisen. Damit würde Ravensburg seinen Schuldenstand glatt verdoppeln.

Schon jetzt steht die Oberschwabenmetropole mit 28,9 Millionen Euro in der Kreide. Diese Summe nannte der städtische Kämmerer Gerhard Engele Anfang Dezember bei der Einbringung des Haushalts für das kommende Jahr. Etwaige Ausfälle durch den Rechtsstreit mit Stuttgart um die WGV-Millionen seien in den Etatberechnung noch gar nicht berücksichtigt, musste Engele einräumen.

Kritik an OB Rapp und seinem Vorgänger Vogler

Es zeigt sich, dass die lukrative Ansiedlung der WGV-Holding für Ravensburg zu einem bösen Bumerang werden könnte. Sachkundige Kritiker halten OB Rapp schon jetzt unmoralisches Verhalten vor und fragen sarkastisch an, ob der Oberbürgermeister mit Ravensburger Wirtschaftsbetrieben im umgekehrten Fall auch Steuerflucht betreiben würde, wenn er andernorts Gewerbesteuer einsparen könnte. Angelockt freilich hat Rapp die WGV nicht.

Der frühere Sigmaringer Bürgermeister amtiert erst seit 2010. Die WGV hatte noch Alt-OB Hermann Vogler in die Stadt geholt, der Ravensburg von 1987 an mehr als zwei Jahrzehnte lang regiert hatte. Schon werden Fragen laut, ob Vogler die Gemeinderäte auf das Risiko einer Rückzahlung hingewiesen hat. Vielleicht, so heißt es, wäre es besser gewesen, die schönen WGV-Millionen zunächst einmal auf die hohe Kante zu legen.