Der seit Monaten andauernde Streit in der Berliner Regierungskoalition um das Elterngeld geht in eine neue Runde. Nun befeuert Unions-Fraktionschef Volker Kauder die Debatte erneut.
Berlin - Der römische Staatsmann Marcus Porcius Cato wird unvergessen bleiben wegen seiner notorisch wiederholten Bemerkung, dass Karthago zerstört werden müsse. Was für Cato den Älteren die punische Stadt in Nordafrika war, ist für Volker Kauder das Elterngeld. Der Fraktionsvorsitzende der Union war noch nie ein Freund dieses Familienzuschusses und wiederholt bei jeder Gelegenheit, dass spätestens nach der nächsten Wahl überprüft werden müsse, ob das Ganze wirklich sinnvoll sei. Das hat der CDU-Politiker jetzt in einem Interview bekräftigt. Prompt wurde Kritik laut. Und die Kanzlerin ließ Regierungssprecher Steffen Seibert versichern, sie stelle „das Elterngeld jetzt nicht infrage“.
Kauder hatte auf den Umstand verwiesen, dass just in dieser Woche neue Zahlen eine weiter rückläufige Entwicklung bei den Geburten dokumentierten. Zuvor hatte bereits der CDU-Wirtschaftspolitiker Thomas Bareiß eine Überprüfung des Elterngelds gefordert. Der Regierungssprecher betonte, die Sinnhaftigkeit des Elterngelds beweise sich nicht dadurch, dass die Zahl der Geburten jedes Jahr steigt. Zudem sei bei diesem Negativtrend zu berücksichtigen, dass auch die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter weiter abnehme. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) reagierte noch barscher: Das Elterngeld, so ihre Replik auf Kauder, sei „keine Gebärprämie“. Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte zudem, das Elterngeld sei eine der am intensivsten evaluierten staatlichen Leistungen.
Auf zwölf Monate begrenzt
Elterngeld gibt es seit 2007. Der Zuschuss ist auf zwölf Monate unmittelbar nach der Geburt eines Kindes begrenzt. Wenn beide Partner sich um die Betreuung des Kindes kümmern, lässt sich der Anspruch auf insgesamt 14 Monate ausweiten. Für Alleinerziehende besteht Anspruch auf vierzehn Monate Elterngeld. Die Höhe des Elterngeldes richtet sich nach dem Einkommen. Der Höchstsatz liegt bei 1800 Euro im Monat. Eltern, die vor der Geburt nicht erwerbstätig waren, erhalten einen Mindestbetrag von 300 Euro. Seit 2011 erhalten Hartz-IV-Empfänger kein Elterngeld mehr.
Aktuellen Informationen des Statistischen Bundesamtes zufolge haben im Jahr 2010 mehr als 810 000 Väter und Mütter Elterngeld bezogen. Den Staat kostet das 4,4 Milliarden Euro jährlich. Im Durchschnitt wurden 964 Euro bezahlt, Männer erhalten wegen des meist höheren Einkommens deutlich mehr (1201 Euro) als Mütter (878 Euro). Bei einem Viertel der Neugeborenen haben auch die Väter Elterngeld in Anspruch genommen. Die Väterquote ist in den drei Jahren, die bisher statistisch belegt sind, stetig gestiegen. Sie liegt in Bayern am höchsten, wo jeder dritte Vater Elterngeld beansprucht. Baden-Württemberg bewegt sich mit einer Väterquote von 26,8 Prozent etwa auf dem Niveau des Bundesdurchschnitts.
Kauders „nebulöse Ankündigung“
Die SPD forderte Klarheit noch vor der Bundestagswahl. Kauders „nebulöse Ankündigung“ könne nur als Signal verstanden werden, dass das Elterngeld zur Disposition stehe, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Er fügte hinzu, wenn Kauder das Elterngeld streichen und ein Betreuungsgeld einführen wolle, zeige dies, dass die Union die Bedürfnisse junger Familien nicht verstanden habe. Empört reagierten auch die Grünen. Offenbar wollten die Konservativen in der Union die modernen Elemente der Familienförderung in Deutschland schleifen, kritisierte ihre Fraktionschefin.
Der nordrhein-westfälische FDP-Chef Christian Lindner forderte, die Regierung solle jetzt erst einmal die im Koalitionsvertrag verankerte Wirkungsuntersuchung der familienpolitischen Leistungen vorlegen, „bevor etwas abgeschafft oder neu eingeführt wird“. Diese Bilanz der Familienförderung war seit Jahren versprochen. Sie soll laut Ministerium 2013 erfolgen.